Die baden-württembergische Landesregierung sieht Nachbesserungsbedarf am Arbeitsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG).
„Die Novelle darf nicht dazu führen, dass sich die Befürworter der Atom- und Kohlekraft Hoffnung auf ein neues goldenes Zeitalter machen. Und diese Gefahr birgt der EEG-Entwurf, wie er derzeit vorliegt“, sagten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller.
Länder-Vorstoß für sinnvolle Stichtagsregelung
Kretschmann kritisierte vor allem die Pläne zur Windkraft an Land: „In diesem Punkt gibt es eher Rück- als Fortschritte. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass Bundesenergieminister Gabriel trotz erheblicher Bedenken zahlreicher Länder am 22. Januar 2014 als Bemessungsstichtag für die Förderhöhe neuer Windkraftanlagen festhält.“ Damit würde den Planungen für zahlreiche Anlagen die wirtschaftliche Basis entzogen. Mit Vertrauensschutz und Planungssicherheit habe das nichts mehr zu tun, so der Ministerpräsident.
In einem gemeinsamen Schreiben haben die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und die Ministerpräsidenten von Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg deshalb Minister Gabriel eine Stichtagsregelung vorgeschlagen, die sich stärker an den Interessen betroffener Investoren orientiert. „Die Genehmigung haben die Planer selbst nicht in der Hand, wohl aber die Abgabe der Antragsunterlagen. Deshalb wollen wir, dass alle bis zum 22. Januar dieses Jahres beantragten Anlagen die derzeit noch geltenden Förderregelungen bekommen. Vorausgesetzt, diese Anlagen werden bis zum 31. Dezember 2014 auch gebaut. Damit wäre in unseren Augen eine ausreichende Übergangsfrist von alter zu neuer EEG-Förderung gegeben. Ich gehe davon aus, dass dieser Vorschlag mehrheitsfähig ist“, sagte Kretschmann.
Gegen strenge Deckelung von Windkraft und Bio-Energie
Daneben stoßen auch die absoluten Grenzen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, wie sie im EEG-Entwurf enthalten sind, auf den Widerstand Baden-Württembergs. Beim Wind, so Umweltminister Franz Untersteller, wären die negativen Auswirkungen am deutlichsten zu spüren: „Nicht bei 2500 Megawatt neu installierter Leistung, sondern allenfalls bei 3500 Megawatt sollten Begrenzungsmechanismen greifen, wenn wir der kostengünstigsten erneuerbaren Energie den ihr angemessenen Raum geben wollen. Es sei denn, Kosteneffizienz ist der Bundesregierung doch nicht so wichtig, wie sie immer behauptet.“
Auch der 100 Megawatt-Deckel bei der Biomasse sei unverständlich tief gelegt, kritisierte Untersteller: „Es geht längst nicht mehr um den zurecht kritisierten Maisanbau zur Energieherstellung. Das Thema ist von gestern, dafür muss der Zubau nicht begrenzt werden. Es geht heute darum, Millionen von Tonnen Bio- und Grünabfälle zur Stromerzeugung in Biomasseanlagen zu nutzen. Diese Chance dürfen wir uns nicht kaputt machen durch Zubaugrenzen nahe Null.“
Fragwürdig sei auch der beabsichtigte Automatismus, die Förderhöhe für alle Technologien ab 2017 durch Ausschreibungen zu ermitteln. Grundsätzlich seien Ausschreibungen zwar ein interessantes Instrument, um Kosten zu senken. Allerdings fehlten noch konkrete Erfahrungen, um es flächendeckend einführen zu können. In jedem Fall müsse verhindert werden, dass Bürgerinnen und Bürger durch die Ausschreibungspflicht von der Energiewende ausgeschlossen würden.
Konzept zur Reduzierung der Industrierabatte fehlt
Deutliche Kritik am vorliegenden Entwurf zur EEG-Novelle übten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller schließlich auch wegen einer Unterlassung: „Ein Konzept zur Reduzierung der Industrierabatte haben wir in dem Entwurf vermisst. Gerade damit könnten aber die Kosten der Energiewende gerechter verteilt werden, was für Privathaushalte und den Mittelstand Entlastung bedeutet.“
Eine Regelung wie im europäischen Emissionshandelssystem, die wirklich nur diejenigen Unternehmen befreit, die im internationalen Wettbewerb stehen, könnte den privilegierten Strombezug bereits um mehr als ein Viertel reduzieren, sagte Untersteller. Wenn dazu noch Bestands- und Neuanlagen, die Strom zur Eigennutzung erzeugen, wirtschaftlich verträglich an der EEG-Umlage beteiligt würden, könnte die EEG-Umlage deutlich unter 6 Cent pro Kilowattstunde gehalten werden.
Brief der Ministerpräsidentin und Ministerpräsidenten an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (PDF)