Die Mitbestimmung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Baden-Württemberg soll gestärkt werden. Vor allem eine verbesserte Beteiligung bei Personalangelegenheiten ist in dem Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrichtergesetzes vorgesehen, den die Landesregierung nun zur Anhörung freigegeben hat. „Mehr Offenheit, mehr Dialog und mehr Mitsprache - was wir uns allgemein für die Politik in diesem Land vorgenommen haben, das gilt auch speziell in der Justiz“, sagten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Justizminister Rainer Stickelberger in Stuttgart: „Mit der Stärkung der Mitbestimmungsrechte setzen wir einen weiteren wesentlichen Punkt unserer Koalitionsvereinbarung um.“
Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung wird die unter Justizminister Rudolf Schieler bereits 1972 im Landesrichtergesetz verankerte Präsidialratsverfassung weiterentwickelt und ausgebaut. Die Präsidialratsverfassung regelt, dass Entscheidungen über die Beförderung von Richterinnen und Richtern durch das Justizministerium nicht gegen den Beschluss der Mitbestimmungsgremien getroffen werden.
„Damit ist die Präsidialratsverfassung bei uns zwar bereits ausgeprägt, wie sonst nirgendwo in Deutschland“, erklärte der Justizminister: „Dieses Mitbestimmungsrecht hat jedoch eine offene Flanke: Denn in der Justiz wird nur befördert, wer zuvor in der Erprobungsabordnung war - und darüber entscheidet bislang allein das Justizministerium.“ Künftig sollten die Präsidialräte auch an den Entscheidungen über die Erprobungsabordnungen beteiligt werden. Dieselbe Befugnis sei für den Hauptstaatsanwaltsrat vorgesehen, wenn es um Erprobungsabordnungen von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten geht. Zudem werde ein Staatsanwaltswahlausschuss beim Landtag eingeführt. „Der Staatsanwaltswahlausschuss soll die gleiche Funktion wie der Richterwahlausschuss haben: Justizministerium und Hauptstaatsanwaltsrat werden dadurch in ihrem Bemühen um konsensuale Personalentscheidungen bestärkt“, sagte Stickelberger.
Im Gesetzentwurf ist darüber hinaus eine Fortbildungspflicht für Richter und Staatsanwälte verankert. Zudem wird das Disziplinarrecht für Richter, Staatsanwälte und Amtsnotare sowie Mitglieder des Rechnungshofs an das Landesdisziplinargesetz angeglichen.
„Mit der Novellierung des Landesrichtergesetzes erreicht die Mitbestimmung in der Justiz eine neue qualitative Stufe“, sagte der Justizminister. „Damit stärken wir die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt.“ Dennoch sei der Prozess mit dem laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen. „Denn auch die Mitbestimmung außerhalb der Personalangelegenheiten werden wir auf den Prüfstein stellen“, so Stickelberger.
Der Erarbeitung des Gesetzentwurfs ging erstmals eine justizinterne Anhörung voraus. Dabei wurden zahlreiche Vorschläge gemacht, die im nun vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen werden, etwa die Erweiterung des Gesetzestitels. Er soll künftig „Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz“ lauten. Insgesamt waren im Rahmen der justizinternen Anhörung 63 Stellungnahmen von Gerichts- und Behördenleitern, Berufsverbänden, den Präsidialräten und dem Hauptstaatsanwaltsrat, von Richterräten, aus dem politischen Raum und von Einzelpersonen eingereicht worden.
Weitere Informationen
Erprobungsabordnung: Die Erprobungsabordnung bei den Obergerichten und den Generalstaatsanwaltschaften ist ein wesentlicher Bestandteil der Personalentwicklung in der Justiz. Die Erprobungsabordnung, die in der Regel vor der ersten Beförderung steht, dauert bis zu zwölf Monate, anschließend gibt es eine dienstliche Beurteilung. Damit ist es möglich, dass alle Bewerberinnen und Bewerber vor einer Beförderung einem Vergleich anhand eines einheitlichen Maßstabs unterzogen werden.
Präsidialrat: Ein Präsidialrat ist eine gewählte Richtervertretung. Sie wird für jeden Gerichtszweig eingerichtet und ist unter anderem an der Ernennung von Richterinnen und Richtern beteiligt.
Hauptstaatsanwaltsrat: Der Hauptstaatsanwaltsrat ist vergleichbar mit dem Präsidialrat und zuständig für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.
Richterwahlausschuss: Der Richterwahlausschuss ist aus Richterinnen und Richtern, Abgeordneten des Landtags und einer Vertreterin oder einem Vertreter der Rechtsanwaltschaft zusammengesetzt. Vorsitzender ist der Justizminister; er selbst hat allerdings in dem Ausschuss kein Stimmrecht. Der Richterwahlausschuss entscheidet in den Fällen über die Beförderung von Richterinnen und Richtern, in denen sich der Minister und der Präsidialrat zuvor nicht einigen konnten.