Europaminister Peter Friedrich hat neun ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern für ihr Wirken im Bereich „Versöhnung, Vergangenheitsbewältigung, Völkerverständigung – Frieden in Europa“ die Staufermedaille überreicht.
„Der Zusammenhalt unserer Bürgerschaft, in den Kommunen, in Deutschland aber auch in Europa insgesamt hängt ganz entscheidend von Menschen wie den heute Geehrten ab. Mit ihrem Engagement leisteten und leisten sie einen unschätzbaren Beitrag dafür, dass es in unserer Gesellschaft nicht nur ein Nebeneinander, sondern auch ein gutes Miteinander gibt“, sagte der Minister für Bundesrat Europa und internationale Angelegenheiten, Peter Friedrich, anlässlich der Verleihung von neun Staufermedaillen an ehrenamtlich Engagierte aus dem Bereich „Versöhnung, Vergangenheitsbewältigung, Völkerverständigung – Frieden in Europa“.
Solidarität, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft
Solidarität, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft seien Dinge, die man nicht von oben herab verordnen könne, sondern die von unten wachsen und weitergegeben werden, sagte Friedrich. „Dabei engagieren sich die Geehrten in einem Bereich, der nicht nur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg oder während des Kalten Kriegs, sondern gerade in den vergangenen Jahren und Monaten wichtig für das Verständnis der Menschen untereinander ist – nämlich im Bereich der Versöhnung und der Völkerverständigung.“
Baden-Württemberg könne sehr stolz auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement der Menschen im Land sein, so Minister Peter Friedrich. „Wir möchten uns aber nicht darauf ausruhen, sondern sehen uns auch in der Pflicht, möglichst gute Rahmenbedingungen auf allen Ebenen zu schaffen, damit ehrenamtliches Engagement gedeihen kann.“
Die Ordensprätendenten
Ernst, Detlef und Riexinger, Klaus
Tübingen und Freiburg
Detlef Ernst und Klaus Riexinger werden für ihr gemeinsames Engagement bei der wertvollen Erforschung des Konzentrationslagers Kochendorf geehrt. Die beiden Freunde haben zusammen recherchiert, Materialien gesammelt, Augenzeugen interviewt und auch Überlebende und deren Angehörige eingeladen. In den Schulen in Bad Friedrichshall haben sie Gespräche ehemaliger französischer KZ-Häftlinge mit Schülerinnen und Schülern ermöglicht. Die über Jahre gesammelten Informationen und Texte haben Ernst und Riexinger 1995 in einer Broschüre zusammengefasst. Es folgten ein weiteres Buch und zahlreiche Publikationen sowie Ausstellungen im Besucherbergwerk. Im Jahr 2000 hatten beide die Miklos-Klein-Stiftung zur Erforschung und Dokumentation des ehemaligen Arbeitslagers gegründet und bringen sich bis heute dort ein. Auf eine Initiative von Detlef Ernst und Klaus Riexinger aus dem Jahr 2010 wurden die ehemaligen Zwangsarbeitsplätze im Bergwerk inzwischen auch vor Ort dokumentiert.
Groh, Rainer Karl Hans
Stuttgart
Seit über 20 Jahren engagiert sich Rainer Karl Hans Groh für Schülerbegegnungen zwischen dem Leibniz-Gymnasium in Stuttgart und dem Gymnasium Nr. 75 in Samara in Russland, der Partnerstadt von Stuttgart. Auch nach seiner Pensionierung wurde Groh nicht untätig, sondern hat nun auch zum Gymnasium Nr. 4 in Samara Kontakte geknüpft. Seit einigen Jahren begleitet er jährlich eine Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern nach Samara, die dort zeitweise Deutsch unterrichten. Die nach wie vor stattfindenden Schülerbegegnungen wurden dank Groh vertieft durch gemeinsame Sportveranstaltungen und ein Theaterprojekt, das in Samara, Stuttgart und in Baden-Baden aufgeführt wurde. Anlässlich des Gedenkens „100 Jahre Erster Weltkrieg“ initiierte er 2014 ein Gesprächsprojekt, welches in Stuttgart, Straßburg und Samara durchgeführt wurde und durch das Schülerinnen und Schüler unter anderem an einer Begegnung mit Bundespräsident Joachim Gauck und dem französischen Staatspräsident François Hollande teilnehmen konnten.
Laier, Gerhard
Ettlingen
Gerhard Laier wird ausgezeichnet für seine Arbeit in der Deutsch-Russischen Gesellschaft Ettlingen e.V. und im Vorstand des Bundesverbands Deutscher West-Ost-Gesellschaften. Er kümmert sich hierbei um Deutschunterricht in Russland, den Schüleraustausch diverser Gymnasien, die Weiterbildung von Berufsschullehrern und um die Vermittlung von Praktikumsplätzen in Ettlingen und Gatschina, der Partnerstadt von Ettlingen. Aber nicht nur junge Menschen aus beiden Städten betreut und unterstützt Laier. Er setzt sich auch für einen Austausch in den Bereichen Kultur und Sport zwischen Seniorinnen und Senioren ein. Auch die Schicksale ehemaliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in Ettlingen sind ihm ein Anliegen. Gerhard Laier hat geholfen, zu Überlebenden und deren Angehörigen Kontakte zu knüpfen und sie nach Ettlingen einzuladen.
Mehrer, Helmut
Brühl
Seit über 40 Jahren unterstützt Helmut Mehrer aktiv die Städtepartnerschaft zwischen Brühl und dem französischen Ormesson. Er hat mit seiner „Aktion 60+“ Seniorinnen und Senioren und Schülerinnen und Schüler mit Wissens- und Verhaltensdefiziten zusammengeführt. Diese Aktion erweitert sich derzeit auch um Sprachunterricht für Flüchtlingskinder. Mehrer hat außerdem den sogenannten Weg des Friedens initiiert, einen Spaziergang durch Brühl mit besonderen Stationen zur Geschichte dieser Stadt. Seit drei Jahren betreut Helmut Mehrer ebenfalls ein Zeitzeugenprojekt, bei dem Bewohnerinnen und Bewohner des Brühler Seniorenzentrums an Gesprächen, Präsentationen und Ausstellungen mitwirken.
Neulen-Hüttemann, Hildegard
Waldkirch
Hildegard Neulen-Hüttemann hat sich weit über ihre berufliche Tätigkeit hinaus für deutsch-französische Schüler- und Lehrerbegegnungen und einen Sprachaustausch in beide Richtungen des Rheins eingesetzt. So schuf Neulen-Hüttemann 1996 beispielsweise den Oberrheinischen Lehrertag für alle Schularten. Bereits 1973 gründete sie gemeinsam mit dem 53. Französischen Fernmelderegiment in Freiburg den Deutsch-Französischen Kreis. Dieser bot unter anderem Sprach- und Konversationskurse, Studienfahrten und Sportveranstaltungen an und bestand bis zum Abzug der französischen Truppen aus Freiburg. 1992 gründete Hildegard Neulen-Hüttemann den Deutsch-Französischen Kreis Waldkirch CFA, dessen Erste Vorsitzende sie bis heute ist und in dessen Satzung „die Förderung des gegenseitigen Verständnisses von Deutschen und Franzosen“ steht. Zehn Jahre später wurde der Verein auf die französiche Partnerstadt Sélestat erweitert. Eine Institution ist mittlerweile das „Sprachenfest Französisch“, das für alle Grundschulen in Elztal und alle fünften Klassen in Waldkirch stattfindet und mittlerweile auf die Partnerschulen im Elsass erweitert wurde.
Rodi, Lotte Maria Friederike
Schwäbisch Gmünd
Lotte Maria Friederike Rodi wird für ihren Einsatz gegen Gewalt und für Frieden während der Zeit des Kalten Krieges geehrt. Geprägt von der Vertreibung und Flucht aus dem damaligen Sudetenland gründete Rodi 1981 die Christliche Arbeitsgemeinschaft Frieden und arbeitete 25 Jahre als Mitglied im Kirchengemeinderat in Schwäbisch Gmünd mit. Die Stadt Schwäbisch Gmünd und die Region waren während des NATO-Doppelbeschlusses betroffen von der Stationierung der Pershing-II-Raketen. Bei den Demonstrationen im Vorfeld und in der Zeit nach der Stationierung der Raketen war Rodi immer um Gewaltlosigkeit und Aufklärung bedacht. Seit 1988 hat sie den Vorsitz des Vereins Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen inne. Im Rahmen dessen engagiert sich Lotte Maria Friederike Rodi bis heute für die Abschaffung von Atomwaffen und für den Frieden.
Dr. Winter, Diethelm
Stuttgart
Dr. Diethelm Winter gründete den Trägerverein ehemalige Synagoge Oberdorf und war 25 Jahre lang dessen Vorsitzender. Dank vieler Spenden an den Verein gelang es Dr. Winter die Synagoge im heutigen Bopfingen zu erwerben und sie 1993 als Gedenk- und Begegnungsstätte zu eröffnen. Hierzu lud er viele Angehörige ehemaliger Oberdorfer Juden aus den USA, Israel und Großbritannien ein. Dank der intensiven Forschungsarbeit des Trägervereins von Dr. Winter wurde in Oberdorf ein Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis eingerichtet und 1997 eine Dauerausstellung eröffnet. Dr. Winter war Initiator zahlreicher Lesungen, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen in der Oberdorfer Synagoge. Für die Herausgabe eines Museumskatalogs über die Geschichte der Juden in Ostwürttemberg warb Dr. Diethelm Winter erfolgreich zahlreiche Sponsoren. Weitere Höhepunkte seines Wirkens waren die Einweihung zweier Gedenkplatten und des Ewigen Lichts für eine jüdische Familie.
Winter, Werner Michael
Heilbronn
Werner Michael Winter wird geehrt für sein Engagement in der Friedensbewegung. Neben seiner Mitarbeit in vielen Bereichen der evangelischen Kirche hat Winter 1982 den Horkheimer Friedenskreis mitgegründet. Seit Mitte der 80er-Jahre ist er Mitorganisator und Teilnehmer zahlreicher Demonstrationen, Protestaktionen, Menschenketten und Ostermärschen in Heilbronn, Stuttgart und Calw. In Folge der Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses initiierte Werner Michael Winter in den Jahren 1985 bis 1992 zahlreiche Informationsveranstaltungen zu den Themen Rüstung und Nuklearkrieg. 1992 hat er in Heilbronn das „Friedensbüro“ gegründet, ein Informationsbüro und eine Kontaktplattform für Heilbronner Friedensgruppen, und arbeitet dort bis heute aktiv mit. Weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus engagiert sich Werner Michael Winter im Friedensnetz Baden-Württemberg oder als Teilnehmer der jährlichen „Internationalen Friedensratschlag Konferenz“ in Kassel.