„Als Kernland Europas profitieren wir von der Arbeitnehmerfreizügigkeit“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er wandte sich gegen eine in Teilen unsachliche Diskussion um so genannte Armutszuwanderung. Der Zuzug von Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern sei wichtig für den Wirtschaftsstandort.
„Ob es um Arbeitskräfte für unsere mittelständischen Betriebe, um Pflege oder Bau und Handwerk geht – ohne die Zuwanderung von EU-Bürgerinnen und Bürgern stünde Baden-Württemberg heute nicht da, wo es ist“, machte Kretschmann deutlich. „Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft, die uns insgesamt stärker macht. Die Unionsbürgerschaft bedeutet eben auch: EU-Bürgerinnen und –Bürger sind füreinander keine Ausländer mehr. Und wo es Herausforderungen und Probleme gibt, müssen wir diese sehen und konstruktiv lösen. Auch deswegen hat die Landesregierung Baden-Württemberg vorausschauend ein eigenes Integrationsministerium gegründet“, bekannte sich der Ministerpräsident zur Europäischen Union.
Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien meist gut ausgebildet und integriert
„Die Mehrheit der aus Ost- und Südosteuropa kommenden Menschen ist gut ausgebildet und integriert sich engagiert und erfolgreich in die jeweilige Stadtgesellschaft, insbesondere in den Arbeitsmarkt“, unterstrich Integrationsministerin Bilkay Öney. Laut der Bundesagentur für Arbeit können 54 Prozent der seit 2007 nach Deutschland eingewanderten Bulgaren und Rumänen eine berufliche Ausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen. Knapp 18 Prozent befinden sich in Bildung und Ausbildung. Zur Jahresmitte 2013 waren rund 60 Prozent der Bulgaren und Rumänen im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig. „Die Beschäftigungszahlen rechtfertigen es nicht, pauschal von einer Armutszuwanderung zu sprechen“, sagte die Integrationsministerin.
Landesregierung unterstützt Kommunen bei Integrationsarbeit
Dennoch dürfe Politik nicht über die Integrationsprobleme und das soziale Konfliktpotenzial hinwegsehen, das in einigen Städten und dort oft nur in einzelnen Quartieren auftritt, so Öney. Im Land sieht sich vor allem die Stadt Mannheim seit einiger Zeit mit einer anhaltenden Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien konfrontiert. Viele der Zugewanderten gehörten sozialen und ethnischen Gruppen an, die bereits in ihrer Heimat benachteiligt und ausgegrenzt worden seien, erklärte die Ministerin. Auch in Deutschland würden diese Menschen oftmals auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ausgenutzt.
„Die teils prekären Lebensverhältnisse einiger Zuwanderer aus Südosteuropa stellen den lokalen Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie das kommunale Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem in Mannheim durchaus vor Herausforderungen“, sagte Öney. Das Integrationsministerium unterstütze daher 2013 und 2014 den Aufbau und die Arbeit von Informations- und Anlaufstellen in den besonders betroffenen Quartieren Mannheims (Jungbusch, Neckarstadt-West und Innenstadt/Westliche Unterstadt) mit 120.000 Euro. „Auch im Rahmen des neuen und vom Landtag einstimmig beschlossenen Staatsvertrages mit dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma haben wir 50.000 Euro pro Jahr speziell für Integrationsarbeit eingestellt. Wir stellen uns dem Thema, statt europäische Bürgerinnen und Bürger auszugrenzen“, unterstrich Kretschmann.
Mit Panikmache wird man Europa nicht gerecht
Armutswanderungen habe es immer schon gegeben. Sie seien eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung mit einer europäischen Dimension, so der Ministerpräsident. Nur durch eine Verbesserung der Situation in den Herkunftsländern könnten die Ursachen und Folgen von Wanderungsbewegungen langfristig abgemildert und sozial gerechter gestaltet werden. Kretschmann: „Dazu muss das Zusammenspiel der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene besser werden, aber auch das Zusammenspiel zwischen Brüssel und den Verantwortlichen aus Bund, Ländern und Kommunen. Mit Vorurteilen und Panikmache wird man Europa auf jeden Fall nicht gerecht.“
Das Ministerium für Integration fördert mit einer im August 2013 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift die Integrationsarbeit in den Kommunen. Aus diesem Programm ergeben sich für Städte und Gemeinden weitere Hilfen, die speziell auf die Zuwanderung aus Südosteuropa zugeschnitten werden können.