Bundesratsminister Peter Friedrich stellte in Berlin die Tagesordnung der bevorstehenden Sitzung des Bundesrates am 16. Oktober 2015 vor.
Gremienwahlen
Da es sich um die letzte Sitzung des Geschäftsjahres des Bundesrates 2014/2015 handelt, stehen zunächst die Wahlen zu den Gremien des Bundesrates an. Am 31. Oktober 2015 endet die Amtszeit des derzeitigen Bundesratspräsidenten Volker Bouffier. Nach den Regeln des Bundesrates werden die Regierungschefs der Länder in absteigender Reihenfolge der Einwohnerzahlen zu Präsidenten des Bundesrates gewählt. Neuer Präsident für das Geschäftsjahr 2015/2016 wird der sächsische Regierungschef Stanislaw Tillich.
Zudem werden die Vorsitzenden der Ausschüsse gewählt. Minister Friedrich ist für die Wiederwahl als Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union vorgeschlagen.
Maßnahmenpaket zur Asylpolitik
Die Tagesordnung der 937. Bundesratssitzung ist darüber hinaus geprägt durch zahlreiche nationale und europaweite Rechtsvorschriften zur aktuellen Asyl- und Flüchtlingspolitik. So wird sich der Bundesrat mit dem umfangreichen Maßnahmenpaket zur Asylpolitik, das Bund und Länder beim Flüchtlingsgipfel am 24. September 2015 verabredet haben, beschäftigen. Es ist geplant die heutigen Gesetzesbeschlüsse des Bundestages (Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz und Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher), dem Bundesrat noch kurzfristig für die morgige Sitzung zuzuleiten. Zu dem Paket gehören zudem die Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (TOP 14 b) und der Entwurf des Nachtragshaushalts 2015 (TOP 13).
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Das umfangreiche Artikelgesetz sieht zum einen Einschränkungen für Asylbewerber ohne Bleibeperspektive vor, darunter eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten, die Möglichkeit Leistungskürzungen bei der Vereitelung von Abschiebeversuchen und die Möglichkeit die Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verlängern. Zum anderen werden Integrationschancen von Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive verbessert, u.a. durch Zugang zu Sprachkursen und Instrumenten der Arbeitsförderung. Weitere bedeutende Punkte sind Regelungen zur Einführung einer Gesundheitskarte und zu Abweichungen von bauplanungs- und umweltrechtlichen Standards bei der Schaffung von Unterkünften. Das Gesetz enthält zudem finanzielle Entlastungen für Länder und Kommunen ab dem Jahr 2016. Mit über drei Mrd. Euro beteiligt sich der Bund im kommenden Jahr über Umsatzsteuermittel an den Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern. Dem liegt ein Berechnungsmodell zugrunde, das bestimmte Beträge je Asylbewerber und Monat vorsieht. 350 Mio. Euro jährlich erhalten die Länder zur Kostenentlastung im Zusammenhang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Zur Verbesserung der Kinderbetreuung erhalten die Länder zudem Mittel aus dem entfallenen Betreuungsgeld. Für den sozialen Wohnungsbau werden Mittel im Entflechtungsgesetz um 500 Mio. Euro jährlich aufgestockt. Das Gesetz soll am 1. November 2015 in Kraft treten. Parallel werden zahlreiche Verordnungen verändert, so die Beschäftigungsverordnung. Hierdurch wird zukünftig Erwerbsmigration aus den sogenannten Westbalkanstaaten ermöglicht, mit dem Ziel der Entlastung des Asylsystems.
Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit hat der Bundesrat auf einen regulären ersten Durchgang verzichtet. Gleichwohl hat der Innenausschuss des Bundesrates im Rahmen einer Sondersitzung am 8. Oktober eine umfangreiche Stellungnahme beschlossen, die dem Bundestag übermittelt wurde. Zum einen fordern die Länder – wie auch Baden-Württemberg - Anpassungen, da sie der Auffassung sind, dass der Gesetzentwurf in einigen Punkten nicht dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24. September entspricht. Das gilt insbesondere bei den Regelungen zu den Leistungskürzungen und zum Vorrang von Taschengeld vor Sachleistungen. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die Ausgestaltung des Verbots der Abschiebeankündigung und zu den Härtefalleingaben. Ferner umfasst die Stellungnahme einige vornehmlich fachliche Änderungsempfehlungen. So hat u.a. Baden-Württemberg darauf gedrungen, den Gesetzentwurf hinsichtlich der Befristung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender zu ändern. Bei aktuell nahezu 300.000 Asylsuchenden, die wegen der Überlastung des BAMF noch gar keinen Asylantrag stellen konnten, würde eine bislang vorgesehene alle zwei Wochen vorzunehmende Verlängerung der Meldebescheinigung zu einem immensen bürokratischen Mehraufwand für die Ausländerbehörden führen.
Hinsichtlich der weiteren Teile des Maßnahmenpakets gibt es weitgehendes Einvernehmen zwischen Bund und Ländern. So hatten sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beim Treffen mit der Bundeskanzlerin am 24. September 2015 auch für ein beschleunigtes Verfahren bezüglich des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher und für ein Inkrafttreten zum 1. November 2015 ausgesprochen. Dabei soll die bundesweite Aufnahmepflicht für alle Länder mit einer Übergangsphase zum 1. Januar 2016 zum Tragen kommen.
Der Gesetzentwurf über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 liegt der Länderkammer zur Stellungnahme vor. Durch das Gesetz sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der von Bund und Ländern am 24. September 2015 getroffenen finanziellen Vereinbarungen geschaffen werden. Der Entwurf sieht vor, dass die bisher für dieses Jahr vorgesehene Entlastung der Länder und Kommunen um eine weitere Milliarde Euro auf nunmehr zwei Milliarden Euro angehoben und die Einnahmen des Bundes in gleicher Höhe abgesenkt werden. Darüber hinaus bildet der Bund eine Rücklage in Höhe von fünf Milliarden Euro für die ab dem Jahr 2016 zu finanzierenden Maßnahmen. Gleichzeitig schafft der Zweite Nachtragshaushalt die Voraussetzung dafür, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Ländern und Kommunen die notwendigen Herrichtungskosten von Flüchtlingsunterkünften auf mietzinsfrei überlassenen Liegenschaften der Bundesanstalt erstatten kann. Der Finanzausschuss empfiehlt hierzu „keine Einwendungen“. Baden-Württemberg unterstützt diese Empfehlung.
EU-Vorlagen zur Flüchtlingskrise
Auf der Tagesordnung steht auch ein Vorschlagspaket der Europäischen Kommission zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, dies umfasst u.a. einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung eines Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen (TOP 21 a) und einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien, Griechenland und Ungarn (TOP 21 b).
Der erste Verordnungsvorschlag soll sicherstellen, dass die Union über einen Umsiedlungsmechanismus für Krisensituationen verfügt, der es ihr ermöglicht, den strukturierten Umgang mit Asylkrisen effektiv zu gestalten. Unter anderem sieht die Verordnung die Festlegung eines Verteilungsschlüssels vor, wobei eine Gewichtung nach Einwohnerzahlen, BIP, der durchschnittlichen Zahl von Asylanträgen in den letzten fünf Jahren sowie der Arbeitslosenquote vorgeschlagen wird. Ziel des zweiten Vorschlags ist die Einführung vorläufiger Maßnahmen zugunsten von Italien, Griechenland und Ungarn, mit denen diese Länder befähigt werden, den derzeitigen erheblichen Zustrom von Drittstaatsangehörigen, der ihr Asylsystem unter Druck setzt, effektiv zu bewältigen. Dazu gehört u.a. die Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen. Die beteiligten Ausschüsse haben zu beiden Vorlagen Stellung genommen. Diese Empfehlungen werden weitestgehend von Baden-Württemberg unterstützt.
Quelle:
Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund