Gleichstellung

Ehe öffnen – Familie als Verantwortungsgemeinschaft stärken

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich heute im Bundesrat für eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. „Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung  gleichzustellen, ihnen die Möglichkeit zur Eheschließung zu geben, ihnen das Recht zur Adoption zu einzuräumen: Das sind Menschenrechte, die wir endlich gewähren müssen“, sagte Kretschmann.

Eine lange Liste von Staaten von Finnland bis Uruguay habe die Gleichstellung homosexueller Paare längst vollzogen, sagte der Ministerpräsident. Nun müsse auch Deutschland nachziehen. Es stünde dem liberalen Verfassungsstaat nicht zu, sich in die persönliche Lebensführung von anderen einzumischen oder diese zu beschränken. „Bei uns kann jedermann leben, wie es ihm gefällt, solange er nicht in die Rechte anderer eingreift und sich rechtskonform verhält. Es ist schlechthin nicht zu begründen, warum gleichgeschlechtliche Paare ihre Vorstellung von Gemeinschaft nicht leben dürfen.“ Deshalb brauche es Gesetze, die Lebensweisen und Lebensstile diskriminierungsfrei ermöglichten.

Vielfalt bedeutet keine Konkurrenz

Kretschmann betonte, dass eine Öffnung der Ehe Familien als Verantwortungsgemeinschaften nicht schwäche, sondern vielmehr stärke: „Unser Gesetzentwurf stellt Familien heterosexueller Paare überhaupt nicht in Frage. Die Mehrzahl von uns stammt ja aus solchen Familien. Ganz im Gegenteil: Wir wollen Familien insgesamt stärken. Indem wir die vielfältigen Formen akzeptieren, die sie heutzutage eben hat. Und Vielfalt bedeutet ja keine Konkurrenz, sondern Erweiterung.“
Familie nur als Institution der Fortpflanzung zu sehen, diskriminiere zunächst einmal auch heterosexuelle kinderlose Ehepaare, so Kretschmann. „Die biologische Definition von Familie mag in agrarischen Gesellschaften nahe gelegen haben. Heute aber trägt sie bei zur Diskriminierung von Familien als Verantwortungsgemeinschaften. Und was kann uns denn Besseres passieren, als Strukturen wechselseitiger Verantwortung in unserer Gesellschaft zu stärken und auszubauen?“

Kinder brauchen Familie

Der Ministerpräsident sprach sich dafür aus, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren und  mit allen Rechten und Pflichten  auch Verantwortung  für Kinder wahrnehmen können. „Kinder brauchen Familie. Zur Adoption stehende Kinder haben ihre Herkunftsfamilie verloren oder können von dieser nicht betreut werden. Wir wissen alle gut, dass Kinder in Familien allemal besser aufwachsen als in Heimen. Auch in Familien Alleinerziehender, erziehender Großeltern oder in Patchwork-Familien jeder Couleur. Und genauso für gleichgeschlechtliche Elternpaare.“ Es lägen keinerlei Erkenntnisse vor, dass gleichgeschlechtliche Eltern ungeeignet sein könnten, für das Wohl solcher Kinder zu sorgen, betonte Kretschmann. „Der moderne Verfassungsstaat kann doch nicht aufgrund von irgendwelchen Spekulationen Menschen grundlegende Rechte verwehren.“

Gesellschaftlicher Trend zur Liberalisierung

Auch in der Gesellschaft zeige sich ein breiter Trend der Liberalisierung in Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe, sagte Ministerpräsident Kretschmann und zitierte Kirchentagspräsident Andreas Barner jüngst erklärt hatte: „Klüger geworden sind wir bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Gegen Liebe können wir Christen uns nicht stellen.“ Er könne zwar nachvollziehen, so Kretschmann, wenn sich manche Menschen nicht sofort von ihren traditionellen Vorstellungen von Familie lösen könnten. Das sei auch bei den Debatten um die Emanzipation und die Rechte von Frauen der Fall gewesen. „So ein Umdenken kann man nicht verordnen. Man kann und man muss ihm aber den passenden Rechtsrahmen geben. Und man muss informieren und aufklären“, sagte Kretschmann. Klar sei aber: „Homosexuelle sind selbstverständlich vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft. Niemand darf an den Rand der Gemeinschaft gedrängt werden.“

Bundesrat fordert Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare

Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu beenden und sie mit der Ehe gleichzustellen. Das bedeutet auch ein volles gemeinschaftliches Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Länderkammer verabschiedete heute die entsprechende Resolution „Ehe für alle - Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“. Der Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, den Baden-Württemberg gemeinsam mit weiteren Bundesländern eingebracht hat, wurde in die Ausschüsse überwiesen.

Reportage: Endlich auf's Standesamt