Atommüll

Neuer Anlauf bei der Endlagersuche

Die Einigung von Bund und Ländern auf ein Verfahren für die Suche nach einem Atommüll-Endlager sei ein wichtiger Durchbruch. Jetzt gehe es darum, „einen wissenschaftsbasierten, transparenten, demokratisch legitimierten und mit breiter Bürgerbeteiligung ausgestatteten Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Regierungsinformation zum Endlagersuchgesetz im Landtag.

„50 Jahre nach dem Einstieg in die Atomenergie, nach über 30 Jahren Auseinandersetzungen um Gorleben, 12 Jahre nach dem ersten Ausstiegsgesetz und neun Jahre nach der ersten Vorlage eines Endlagersuchgesetzes ist die Zeit endlich reif für einen Neustart für die Suche nach einem sicheren Endlager für hochradioaktiven Müll in Deutschland“, sagte Kretschmann. Der baden-württembergische Ministerpräsident hatte die Suche vor zwei Jahren angestoßen und hat damit einen entscheidenden Anteil an der jetzigen Einigung.  Mit der Einigung sei man zwar noch lange nicht am Ziel, so Kretschmann. Aber auch der längste Weg beginne mit einem ersten Schritt. Dieser sei nun getan und der Weg sei frei. „Die Politik hat auf einem äußerst schwierigen Feld ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt – und das ist in einer Zeit, in der das tagespolitische Geschäft, der kurzfristige Erfolg leider zu oft zum beherrschenden Prinzip der politischen Arbeit geworden ist, nicht hoch genug einzuschätzen“, betonte Kretschmann. So solle noch vor der Sommerpause das Endlagersuchgesetz von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

Wissenschaftsbasierte Suche nach dem sichersten Standort

Der Prozess der Endlagersuche beruhe auf mehreren Grundpfeilern, machte Kretschmann deutlich. „Er findet streng wissenschaftsbasiert statt und dient alleine dem Ziel, am Ende den sichersten Standort für die Aufbewahrung unseres Atommülls zu finden. Dieser Prozess darf keinen potentiellen Standort in Deutschland ausschließen und beginnt daher – offen und transparent – mit einer weißen Landkarte.“  Die Suche nach einem Endlager müsse im nationalen Konsens erfolgen.

Prinzip der weißen Landkarte

Entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Suchverfahrens seien klare wissenschaftliche Kriterien, anhand derer die infrage kommenden Standorte untersucht und verglichen werden. Dabei gelte das Prinzip der weißen Landkarte. Das bedeute: Alle bisher für untersuchungswürdig befundenen Wirtsgesteine – nämlich Salz, Ton und kristallines Gestein – müssten in allen Regionen Deutschlands berücksichtigt werden. „Geologie geht vor Geografie – kein Bundesland kann sich der Suche verweigern. Auch Baden-Württemberg nicht.“ Der Südwesten habe die Atomenergie besonders intensiv genutzt. „Da können auch wir uns nicht wegducken“, so Kretschmann.

Nationaler Konsens notwendig

Der Ministerpräsident warnte davor, das Erreichte wieder in Frage zu stellen. Denn es gehe darum, einen Ort zu finden, an dem der hochgefährliche Atommüll für eine Million Jahre sicher gelagert werden könne. Eine Verlagerung der Verantwortung auf zukünftige Generationen sei nicht hinnehmbar. „Diese epochale Aufgabe kann nur jenseits der Parteigrenzen und einvernehmlich zwischen Bund und Ländern gelöst werden. Um diese Aufgabe zu stemmen, bedarf es eines nationalen Konsenses“, sagte Kretschmann. Denn „die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass am Ende dieses Prozesses auch tatsächlich der sicherste Standort ausgewählt wird. Und dieses Vertrauen können wir nur schaffen, wenn alle politischen Institutionen hinter der nun begonnenen Suche eines Endlagers stehen.“

Teil der Einigung auf ein Endlagersuchgesetzes sei, dass keine weiteren Castoren nach Gorleben rollen. „Das ist eine vertrauensbildende Maßnahme gegenüber dem Land Niedersachsen, dass Gorleben kein Referenzstandort ist“, so Kretschmann. Dieses Vertrauenssignal sei notwendig gewesen, um den nationalen Konsens zu erreichen. Stattdessen müssten die Castoren in den bestehenden Zwischenlagern an den AKW-Standorten eingelagert werden. Hier sei klar, dass sich kein Land seiner Verantwortung entziehen kann.

Der Ministerpräsident machte im Landtag deutlich, dass die Atomkraftwerksbetreiber als Erzeuger der radioaktiven Abfälle für die Kosten der Suche nach einem geeigneten Endlager-Standort aufkommen müssten. Zu lange seien die wahren Kosten der Hochrisikotechnologie Atomkraft verschleiert werden. „Deshalb ist es wichtig, dass wir in der Endlagerfrage das Verursacherprinzip durchgesetzt haben“, sagte Kretschmann.

Gemeinsame Verantwortung für die Suche nach einem sicheren Endlager

Am Ende seiner Rede appellierte Kretschmann an das Verantwortungsbewusstsein aller: „Wir haben den Strom gemeinsam genutzt – wenn auch einige von uns gegen ihren Willen – nun müssen wir uns auch gemeinsam um seine Altlasten kümmern.“ Niemand dürfe sich aus der Verantwortung stehlen. „Wir, die wir Jahrzehnte gegen diese Energieform gekämpft haben, stehen hier mit weißer Fahne bereit an der Lösung der Folgen einer Energie, die wir nie wollten, mitzuarbeiten. Wir strecken die Hand aus, schlagen Sie ein und lassen Sie uns die Folgen dieser Energie gemeinsam über Parteigrenzen hinweg, über Ländergrenzen und Regionalinteressen hinweg für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder und deren Kindeskinder so sicher wie nur irgend möglich bewältigen.“