Baden-Württemberg und Kroatien wollen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter vertiefen und die Kooperation in verschiedenen Bereichen ausbauen. Das vereinbarten die beiden Partner bei der Sitzung der zwölften Gemischten Regierungskommission in Mannheim.
„Die Partnerschaft zwischen Baden-Württemberg und Kroatien im Rahmen der Gemischten Regierungskommission hat sich seit 2005 sehr erfolgreich entwickelt. In Themenfeldern wie der Digitalisierung, der Anpassung an den Klimawandel, in der Bildung oder auch bei der Polizeiarbeit und Wasserwirtschaft haben sich intensive Kooperationen etabliert“, sagte Staatssekretär Florian Hassler anlässlich der zwölften Gemischten Regierungskommission zwischen Baden-Württemberg und Kroatien am Montag, 15. Januar 2024, in Mannheim.
Zusammenarbeit vertiefen und Kooperation ausbauen
„Baden-Württemberg und Kroatien wollen gerade jetzt, wo die Globalisierung weltweit unter Druck steht, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit noch weiter vertiefen und ihr gemeinsames Engagement in der Strategie der Europäischen Union (EU) für den Donauraum fortsetzen. Mit einem Ausbau der Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien wollen wir die Chancen der Energiewende nutzen und auch Wasserstofftechnologien in den Blick nehmen, die für die Zukunft unserer Wirtschaft wichtig sind“, betonte Staatssekretär Hassler. „Gemeinsame Projekte in der Bildungskooperation stärken junge Menschen und tragen zum Zusammenleben in Europa auf der Basis gemeinsamer Werte bei. Unsere bewährte Polizeizusammenarbeit in der Kriminalprävention wollen wir ausbauen und auf weitere Länder in Südosteuropa ausweiten. So schaffen wir neue Win-Win-Projekte für beide Partner.“
„Kroatien und Baden-Württemberg leisten starke politische Unterstützung bei der Fortsetzung und Vertiefung unserer Partnerschaft und Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamem Interesse wie Wirtschaft, EU-Donauraumstrategie, Energie und Umwelt, innere Angelegenheiten und polizeiliche Zusammenarbeit sowie Bildung“, sagte Frau Staatssekretärin Metelko-Zgombić.
Kroatien entwickelt sich zum Energiestandort
„Kroatien entwickelt sich weiter zu einem Energiestandort. Diesbezüglich habe ich meine Gesprächspartner aus Baden-Württemberg über potentielle Investitionen und Zusammenarbeit im Bereich der Energieversorgung und -erzeugung informiert. Dies betrifft insbesondere, den weiteren Ausbau der Energieerzeugung, die Lagerung und Erforschung grünen Wasserstoffs, sowie die Nutzung der Geothermie und die Versorgung durch den Flüssigerdgas(LNG-)Terminal auf der Insel Krk“, betonte die Staatssekretärin.
„Darüber hinaus habe ich die besondere Rolle der kroatischen Gemeinschaft in den Beziehungen zwischen Kroatien und Baden-Württemberg sowie die weitere Unterstützung Baden-Württembergs bei der Bereitstellung von Unterricht in kroatischer Sprache hervorgehoben. Mehrsprachigkeit ist eine der Besonderheiten der EU und muss bestmöglich gefördert werden“, fügte sie hinzu.
An der Gemischten Regierungskommission nahm auch Herr Staatssekretär Dr. Andre Baumann aus dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg teil. „Tiefe Geothermie kann ein wichtiger Baustein der Energiewende sein und einen bedeutenden Beitrag für eine klimafreundliche und nachhaltige Energieversorgung leisten. Zu ihren Vorzügen gehören unter anderem die lokale Verfügbarkeit und der hohe Energieertrag bei vergleichsweise geringem Flächenverbrauch. Gleichzeitig bestehen hinsichtlich der Erschließung von Erdwärme Unsicherheiten und Sorgen. Es gilt daher, die vielversprechende Technologie weiter voranzutreiben und zugleich über Risiken und deren Vermeidung zu informieren. Wir freuen uns, dazu mit unseren kroatischen Kolleginnen und Kollegen in den fachlichen Dialog zu gehen, Erfahrungen auszutauschen und Zukunftsvorhaben zu erörtern“, erklärte Staastsekretär Dr. Baumann.
Schwerpunkte der Zusammenarbeit
Bei der bilateralen Kooperation soll vor allem der Bereich Wasserstoff mit Fokus auf die hierfür notwendigen Technologien sowie deren Anbieter und Abnehmer in den Blick genommen werden. Hierzu plant das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm im Rahmen des Donaufestes am 8. Juli 2024 die mittlerweile vierte Veranstaltung in der Reihe „Die Donauregion in der Zeitenwende“, bei der Wasserstoff eines der Schwerpunktthemen darstellt. Die Veranstaltung bietet damit gerade auch kroatischen Vertretern von Unternehmen, Verbänden und aus der Politik eine hervorragende Plattform zur Vernetzung zum Auftakt dieser Zusammenarbeit.
Die Wirtschafts- beziehungsweise Industrie- und Handelskammern der beiden Länder wollen zudem eine Kooperation im Bereich der IHK Exportakademie anstoßen. Hier gibt es die Möglichkeit, speziell auf die Bedürfnisse kroatischer Geschäftsleute, die einen Eintritt in den deutschen Markt suchen, angepasste Seminare zu entwickeln.
Baden-Württemberg und Kroatien werden ihre erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft auch im Rahmen der EU-Donauraumstrategie fortsetzen. Die beiden Länder koordinieren gemeinsam den Schwerpunktbereich 8 „Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen“ und arbeiten mit Expertinnen und Experten in sechs thematischen Arbeitsgruppen zusammen: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Cluster und Regionalentwicklung, Frauen im Unternehmertum, Innovation und Wissenstransfer sowie Zirkuläre Bioökonomie. In all diesen Feldern liegt der Fokus auf dem Nutzen für kleine und mittlere Unternehmen und Cluster. Beispielhafte Projekte sind Erfahrungsaustausche, Studien oder das Finden von übertragbaren innovativen Lösungen.
Auch im Umwelt- und Energiebereich soll weiterhin die Arbeit in den Arbeitsgruppen der EU-Strategie für den Donauraum genutzt werden. In diesem Zusammenhang ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der Bioökonomie vorgesehen, mit Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen und Clustern, insbesondere im Bereich der Schaffung und Harmonisierung nationaler Richtlinien und Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit der Wirtschaftsteilnehmer.
Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien, die ausgebaut werden soll. Geplant ist insbesondere die Erforschung und Nutzung des geothermischen Potenzials am Beispiel des Projekts geothermischer Quellen in Babina Greda in der Gespanschaft Vukovar-Syrmien und weitere Begleitung des Solarenenergie-Projektes Vallis Solaris in Šibenik.
Zu verschiedene Aspekten der tiefen Geothermie kam es zwischen den Vertretern beider Länder bei den Gesprächen zu einem guten Austausch. Dabei wurden die Vorteile dieser Energieform, aber auch die möglichen Risiken bei der Erschließung von Erdwärme und die Sorgen in der Bevölkerung angesprochen. Aufgrund der vielfältigen Erfahrungen mit Geothermieprojekten wurde darüber hinaus vereinbart, in den fachlichen Dialog zu gehen, Erfahrungen auszutauschen und Zukunftsvorhaben zu erörtern. Im Bereich Wasserstoff stellte die kroatische Seite ein interessantes und vielversprechendes Projekt „North Adriatic Hydrogen Valley“ vor, das von der EU finanziell unterstützt wird.
Es hat sich bei den Gesprächen außerdem herausgestellt, dass die Themen „Carbon Capture and Storage“ (CCS) und „Carbon Capture and Utilisation“ (CCU) zur Dekarbonisierung der Industrie in beiden Ländern eine Rolle spielt. Deshalb wird auch in diesem Bereich angestrebt, in den weiteren Austausch zu gehen und voneinander zu lernen.
Für den Bereich CCS hat die kroatische Seite die Entwicklung des kroatischen Projekts GT-CCS vorgestellt, das in die Projects of Common Interest-/Project of Mutual Interest-(PCI/PMI)-Liste Ende November 2023 aufgenommen wurde. Von der baden-württembergischen Seite wurde von den aktuellen Forschungsprojekten zum CCU über das biologische Recycling von Kohlenstoff aus Kohlenstoffdioxid (CCUBIO) berichtet. Im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie wird bei diesen Verfahren angestrebt, werthaltige Kohlenstoffrohstoffe mit biotechnologischen Verfahren aus dem Kohlenstoffdioxid (CO₂) von beispielsweise Industrieemissionen zu gewinnen und so den Kohlenstoff als Wertstoff im Wirtschaftskreislauf zu halten.
Die Polizei des Bundeslandes Baden-Württemberg unterstützt die kroatische Polizei seit 2003 erfolgreich bei der Entwicklung und beim Ausbau der polizeilichen und kommunalen Kriminalprävention. Die Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen des Projekts „Polizei in der Gemeinschaft“, das vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) koordiniert und finanziert wird.
Dabei geht es im Wesentlichen um den Aufbau einer vernetzten interdisziplinären Zusammenarbeit zur deliktsorientierten und sozialraumbezogenen Kriminalitätsvorbeugung sowie um die Entwicklung wirkungsorientierter Präventionskonzepte zu aktuellen Kriminalitätsphänomenen. Maßnahmen sind Seminare, Hospitationen, Multiplikatorenschulungen sowie die konzeptionelle Unterstützung beim Aufbau und der Ausrüstung von bürgernahen Präventionszentren sowie eines zentralen polizeilichen Medienzentrums in der Generaldirektion der Polizei.
Der Prozess soll im Rahmen der bestehenden, äußerst guten und verlässlichen Zusammenarbeit weiter fortgesetzt werden. Thematische Schwerpunkte der künftigen Aktivitäten orientieren sich an aktuellen, lagebildorientierten An- und Herausforderungen im Bereich innere Sicherheit.
Die gemeinsamen Projektaktivitäten der kroatischen und baden-württembergischen Polizei wurden seit dem Jahr 2015 um einen ständigen Wissens- und Erfahrungstransfer mit der serbischen Polizei erweitert und werden seither durchgängig trinational durchgeführt. Die Ausweitung dieser bewährten strukturierten Zusammenarbeit im Handlungsfeld polizeiliche Kriminalprävention auf weitere Länder in der Region Südosteuropa ist vorgesehen.
Wichtig ist die Fortsetzung des Fortbildungsprogramms für Deutschlehrer aus Kroatien in Baden-Württemberg. Konkret handelt es sich um Methodik und Didaktik-Seminare zum Deutschunterricht. Diese finden im Studienhaus Wiesneck (Institut für politische Bildung e.V. Buchenbach) bei Freiburg im Breisgau statt. Diese Deutsch-Methodikseminare sind immer verknüpft mit Projektarbeiten, zum Beispiel zum Thema „Nachhaltige Stadt und Region“. Weitere Seminare sind für Deutschlehrkräfte aus Kroatien geplant, die Verknüpfung soll zum Beispiel zu den Themenfeldern Demokratiebildung, Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit erfolgen.
Ein laufendes Erasmus+-Projekt zwischen Kroatien und Baden-Württemberg ist beispielsweise das KA2 (Partnerschaften für Zusammenarbeit) – Projekt „Voice of Vocation“. Der Projektstart erfolgte am 1. November 2023 mit einem Gesamtwert des Projektes von 400.000 Euro. „Voice of Vocation“ geht auf die Bedürfnisse von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Debatingausbildung ein, die mit berufsbildenden Schulen zusammenarbeiten möchten. Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler in der beruflichen Bildung eine solide Grundlage für Resilienz, lebenslanges Lernen, lebenslange Beschäftigungsfähigkeit, soziale Eingliederung, aktive Bürgerschaft und persönliche Entwicklung vermittelt wird. Alle Partner haben ein gemeinsames Interesse an der Einführung von Debattenmethoden in der Berufsbildung, verfügen jedoch nur über ein begrenztes Angebot an Schulungen, Lehrerausbildungen und Unterrichtsmaterialien, die auf diesen Zweck zugeschnitten sind und von Lehrern, Schülerinnen und Schülern in der Berufsbildung getestet wurden.
Um mehr Debattenmethoden in die Berufsbildung einzuführen, zielt das Projekt darauf ab, die Fähigkeit von Lehrkräften in der Berufsbildung zu erhöhen, Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung von übertragbaren Soft Skills und der Entwicklung zu aktiven und informierten Bürgern durch den Einsatz von interaktiven, debattenbasierten Lehrmethoden und -instrumenten zu unterstützen. Das Konsortium wird von der kroatischen CDS – Croatian Debate Society (im Kroatischen „HDD - Hrvatsko Debatno Društvo“) geführt und umgesetzt.
Eine hervorragende Zusammenarbeit wurde im Bereich des Kroatischunterrichts in Baden-Württemberg erreicht. Der Kroatischunterricht in Baden-Württemberg, der von 22 aus Kroatien entsandten Lehrkräften betreut wird, ist der zahlreichste Kroatischunterricht weltweit. Die kroatische Seite dankt der baden-württembergischen Seite für die kontinuierliche Unterstützung des Kroatischunterrichts in finanzieller, organisatorischer und pädagogischer Hinsicht.
Die kroatische Seite äußert die Hoffnung, dass im Rahmen des Ganztags in Baden-Württemberg noch mehr Möglichkeiten und Raum für eine bessere und effektivere Organisation des Kroatischunterrichts in einzelnen Schulen gefunden werden können, um angemessene Normen der Unterrichtsdauer, Nutzung von Räumlichkeiten und Geräten sowie der physischen Anwesenheit der Schüler zu erreichen.
Die kroatische Seite begrüßt die Praxis der Anerkennung der Noten beziehungsweise die Anerkennung der Bescheinigung der Kroatischkenntnisse als Teil eines deutschen Schulzeugnisses.
Die kroatische Seite begrüßt die Möglichkeit, dass Schüler die kroatische Sprache als zweite Fremdsprache beim Abitur durch Anmeldung über deutsche Schulen belegen, wenn sie erst vor kurzer Zeit aus Kroatien gekommen sind und keine andere Fremdsprache (zum Beispiel Französisch oder Spanisch) gelernt haben.
Die Zertifizierung von Kenntnissen der kroatischen Sprache nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen wird seit fünf Jahren in der Zuständigkeit der kroatischen Seite erfolgreich durchgeführt, mit organisatorischer Unterstützung der baden-württembergischen Seite.
In Baden-Württemberg gibt es vier Lektoren für kroatische Sprache und Literatur im Rahmen des Studiums der südslawischen Sprachen und Literaturen an den Universitäten Freiburg, Tübingen, Heidelberg und Konstanz. Die kroatische Seite ist ständig daran interessiert, in ihrem Zuständigkeitsbereich Lektorate für kroatische Sprache und Literatur einzurichten, an denen kroatische Sprache und Literatur gelehrt werden sollten. In diesem Sinne finden Beratungen mit der Universität Rijeka statt, die im Bereich der Slawistik eine etablierte Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg unterhält.
Gemischte Regierungskommission mit Kroatien
Die Sitzungen der Gemischten Regierungskommission finden in einem in der Regel zweijährigen Turnus abwechselnd in Kroatien und Baden-Württemberg statt. Von kroatischer Seite nahmen die Staatssekretärin im Außenministerium, Andreja Metelko-Zgombić, sowie weitere Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung an der zweitägigen Sitzung teil. Auf baden-württembergischer Seite umfasste der Teilnehmerkreis Staatssekretär Florian Hassler, als Co-Vorsitzender der baden-württembergischen Seite, Staatssekretär Dr. Andre Baumann aus dem Umweltministerium sowie Vertreterinnen und Vertreter aus weiteren Ministerien in Baden-Württemberg.
Die zwölfte Gemischte Regierungskommission war eingebettet in die Handball-Europameisterschaft 2024 der Männer, bei der die kroatische Mannschaft in Mannheim Vorrundenspiele bestreitet. Ein weiterer Höhepunkt war der gemeinsame Empfang des Staatsministeriums Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim, bei dem sich die Sportstadt Mannheim vor dem internationalen Publikum und dem internationalen Handballbund präsentieren konnte.