Der Ministerrat hat die aktuelle Situation im Land bei der Ernährungssicherheit und der Selbstversorgung thematisiert. Der Selbstversorgungsgrad bei vielen Nahrungsmitteln ist insgesamt deutlich zu niedrig. Ziel ist es, die Versorgung mit regionalen konventionellen und Bio-Produkten mit hoher Qualität zu sichern.
Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am Dienstag, 30. Januar 2024, die aktuelle Situation im Land bei der Ernährungssicherheit und der Selbstversorgung thematisiert. Der Selbstversorgungsgrad Baden-Württembergs bei Nahrungsmitteln wie zum Beispiel Kartoffeln, Gemüse und Obst sowie Rind- und Schweinefleisch, Eiern und Milch ist insgesamt deutlich zu niedrig. Der Erhalt der baden-württembergischen Landwirtschaft – sowohl im Ackerbau als auch in der Viehhaltung – ist jedoch Grundlage für einen nachhaltigen Zugang zu regionalen Lebensmitteln und ein Beitrag zur Sicherung der Ernährungssouveränität auf EU-Ebene.
„Die Ernährungssicherheit Europas wird lokal entschieden. Unser Ziel ist es, die Versorgung mit regionalen konventionellen und Bio-Produkten mit hoher Qualität zu sichern. Gleichzeitig wollen wir unsere kleinstrukturierte und bäuerliche Landwirtschaft nachhaltig und mit einer zukunftsfähigen Perspektive weiterentwickeln. Dafür müssen wir verstärkt an besseren Rahmenbedingungen arbeiten. Es gilt insbesondere, unsere Bäuerinnen und Bauern für ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse fair und angemessen zu vergüten und zugleich Bürokratie abzubauen. Wir haben den Strategiedialog Landwirtschaft im September 2022 genau zur richtigen Zeit ins Leben gerufen. Dort suchen Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Naturschutz, Handwerk, Wissenschaft und Handel gemeinsam nach Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft. Die Ergebnisse sollen im Oktober präsentiert werden“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Kabinettssitzung.
Selbsterzeugungsgrad bei tierischen Erzeugnissen kann nur mit einer nachhaltigen Tierhaltung stabilisiert werden
Bei vielen Lebensmitteln liegt der Selbstversorgungsgrad in Baden-Württemberg unter 50 Prozent, beispielsweise Gemüse bei etwa 31 Prozent oder Eier bei etwa 30 Prozent. Bei Schweinefleisch (52 Prozent) und Rindfleisch (58 Prozent) übersteigt der regionale Verbrauch die in Baden-Württemberg erzeugte Menge um fast das Doppelte.
„Unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe sind das Herzstück für die Versorgung mit Lebensmitteln aus der Region. Von 2013 bis 2023 haben wir aber 46 Prozent der baden-württembergischen Betriebe mit Schweinehaltung verloren, der Schweinebestand ist in diesem Zeitraum insgesamt um 34 Prozent zurückgegangen. Wir müssen die Tierzahlen von Schwein und Rind im Land erhöhen, nicht senken. Nur so können wir den Selbstversorgungsgrad aus heimischer Produktion erhalten. Ohne eine Kreislaufwirtschaft, wie wir sie in Baden-Württemberg haben, können wir keinen nachhaltigen Anbau von Obst und Gemüse garantieren. Ohne Wiederkäuer werden wir keine Chance haben, unser Grünland nachhaltig offenzuhalten und damit einen wichtigen CO2-Speicher im Land zu sichern. Zudem verlieren wir ohne Weidetierhaltung positive Effekte für den Erhalt der Biodiversität und der Kulturlandschaft“, betonte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk.
Landwirte brauchen faire Preise und Planungssicherheit
„In Baden-Württemberg haben wir mit unserer Agrar- und Ernährungspolitik die richtigen Impulse für die Transformation gesetzt. Wir wollen Lebensmittel möglichst regional und umweltschonend erzeugen. Erste Schritte sind wir beispielsweise mit dem ,Qualitätszeichen BW‘ und dem ‚Bio-Zeichen Baden-Württemberg‘ bereits gegangen, weitere müssen folgen. Um die regionale Landwirtschaft nachhaltig aufzustellen, brauchen wir politische Rahmenbedingungen von EU und Bund, die Angebote statt Verbote machen, die Bürokratie abbauen und Landwirten eine langfristige Planungssicherheit bieten. Die Grundlage dafür ist Transparenz. Denn klar ist: Nur, wenn alle Glieder der Wertschöpfungskette ein auskömmliches Einkommen haben, wird die Kette stärker und kann langfristig bestehen“, sagte Hauk.
Studie zum Preisvergleich zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen
„Die jüngste Untersuchung hat bestätigt, was viele Landwirte bereits seit langem betonen: Trotz ihres unverzichtbaren Beitrags zur Ernährungssicherheit und zum Erhalt unserer Kulturlandschaften öffnet sich die Schere zwischen den Erzeuger- und Verbraucherpreisen weiter. Der Anteil der Landwirte am Verbraucherpreis nimmt kontinuierlich ab. Es zeigt sich, dass trotz ihrer wichtigen Rolle nicht ausreichend Wertschöpfung bei den Landwirten selbst ankommt. Eine Möglichkeit wäre, wie von Minister Hauk vorgeschlagen, einen Marktbeirat einzusetzen, um auf wissenschaftlicher Basis Transparenz bei der Preisgestaltung innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen. Sobald hierfür ein Konzept vorliegt, werden wir dieses im ,Strategiedialog Landwirtschaft‘ diskutieren. Die aktuellen Proteste der Landwirte sind nicht nur ein lauter Weckruf, sondern auch ein weiterer Antrieb und Impuls für unseren Strategiedialog, die Situation der Landwirte nachhaltig zu verbessern“, so Kretschmann abschließend.
Im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) einen Preisvergleich zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen von ausgewählten landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln erstellt. Ziel des Vergleichs war es, die Entwicklung der Erzeuger- und Verbraucherpreise zu analysieren und die Einflussfaktoren der Preissteigerungen und des Preisabstands zu ermitteln. Dazu wurden für die letzten zehn Jahre und für rund 20 Lebensmittel die Einkaufspreise der privaten Haushalte basierend auf Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg (GfK) mit den Erzeugerpreisen der jeweiligen landwirtschaftlichen Produkte verglichen. Im Ergebnis zeigte sich, dass nur ein geringer Anteil des Verbraucherpreises auf die Erzeugerpreise zurückzuführen ist. Teilweise landen nur fünf Prozent des Ladenpreises im Geldbeutel der Landwirte.
Für den Preisvergleich der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum wurden überwiegend baden-württembergische Preise zugrunde gelegt. Bei einigen Produkten wurde aus Gründen der Verfügbarkeit auf bundesweite Daten zurückgegriffen.