Mit einem breiten Maßnahmenbündel setzt die Landesregierung neue Impulse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Baden-Württemberg. Das sieht die vom Kabinett am französischen Nationalfeiertag beschlossene Frankreich-Konzeption vor.
„Gute Nachbarn helfen sich gegenseitig, sind solidarisch und stehen einander bei. Wie wichtig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt und die letzten Monate haben bestätigt, wie stark unsere Nachbarregionen verbunden sind. Künftig wollen wir noch enger zusammenarbeiten – und das nicht nur in Notlagen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach der Sitzung des Ministerrats. „Ich freue mich besonders, dass wir genau heute, am französischen Nationalfeiertag, ein breites Maßnahmenbündel beschließen konnten, um die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Baden-Württemberg weiter zu festigen. Denn Deutschland und Frankreich sind das Herz und der Motor Europas – wenn unser beider Zusammenarbeit gelingt, gelingt Europa.“
Ressortübergreifende Strategie
„Mit der Frankreich-Konzeption des Landes Baden-Württembergs wurde eine ressortübergreifende Strategie erarbeitet, um die zahlreichen grenzüberschreitenden Maßnahmen zwischen Frankreich und Baden-Württemberg zu bündeln, diese in zentralen Bereichen der Kooperation langfristig strategisch weiterzuentwickeln und mit neuen Impulsen voranzubringen. Gemeinsam mit mehr als 600 Bürgerinnen und Bürgern sowie Expertinnen und Experten aus Baden-Württemberg und Frankreich wurden in den letzten zwei Jahren rund 40 Ziele und 100 Maßnahmen erarbeitet, um die länderübergreifende Zusammenarbeit zu fördern“, so Staatsrätin Gisela Erler.
Über 15 Millionen Euro für 29 Einzelmaßnahmen
Die vorliegende Konzeption umfasst zehn Aktionsfelder wie beispielsweise Wissenschaft und Wirtschaft, Berufliche Bildung oder Energie, Klima und Umwelt. Für insgesamt 29 Einzelmaßnahmen werden in einem ersten Schritt über 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. So wird das Land beispielsweise in die Kooperation in den Bereichen Industrie 4.0, Robotik und Künstliche Intelligenz insgesamt knapp 470.000 Euro einbringen, um eine bessere Vernetzung in diesen Schlüsselbranchen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich zu ermöglichen. Auch im Verkehrsbereich sind umfangreiche Investitionsmaßnahmen vorgesehen: 820.000 Euro stehen etwa für ein grenzüberschreitendes Echtzeit-Datenmanagement zur Verfügung. Erste Planungsschritte für die Reaktivierung der Bahnstrecke Colmar-Breisach-Freiburg sollen mit zwei Millionen Euro unterstützt werden. Für die Förderung der grenzüberschreitenden beruflichen Bildung werden 400.000 Euro bereitstehen. Weiterhin wird die Kooperation im Bereich der Sicherheit gestärkt: Das Gemeinsame Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Kehl wird mit über 520.000 Euro zukunftssicher ausgestattet werden, unter anderem durch die Investition in technische Kapazitäten.
„Wir brauchen eine enge deutsch-französische Partnerschaft, um ein wettbewerbsfähiges, solidarisches und vor allem handlungsfähiges Europa weiter voranzubringen. Nach mehr als vier Jahrzehnten der gewachsenen Kooperation ist es dringend an der Zeit, der Zusammenarbeit neue Impulse zu geben und sie auf ein neues Niveau zu heben. Wir müssen gemeinsam für die drängenden Fragen unserer Zeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Sicherheit, Gesundheit oder Mobilität gerüstet sein“, erklärte Staatsrätin Gisela Erler und hob hervor, dass mit der Frankreich-Konzeption ein in seiner Form einmaliges innovatives Zukunftskonzept geschaffen wurde, das gemeinsam mit den französischen Nachbarn erarbeitet wurde.
Vielfältige Kooperationen und Projekte
Dabei greife die Frankreich-Konzeption vielfältige Kooperationen und Projekte auf, die das Zusammenleben mit den französischen Nachbarn konkret verbesserten. Künftig stünde für den Anstoß beziehungsweise die Unterstützung von Kooperationen auch ein eigener Kleinprojektefonds des Landes zur Verfügung, so Erler. Ein besonderes Anliegen sei es aber auch, dass die bestehenden Strukturen, Angebote und Aktivitäten, die für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für andere Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur, Umwelt und Mobilität existieren, künftig auf einer neuen Onlineplattform des Landes für die Grenzregion übersichtlicher gebündelt werden und zu einer besseren Sichtbarkeit und Verfügbarkeit beitragen sollen. „In zahlreichen Gesprächen mit deutsch-französischen Experten haben wir immer wieder festgestellt, dass viele Menschen angesichts der Menge an Institutionen, Kooperationen und Einrichtungen schlicht den Überblick verlieren und zwar egal um welche Bereiche es sich handelt. Durch die Frankreich-Konzeption haben wir diese Aktivitäten und Maßnahmen nun zentral gebündelt“, so die Staatsrätin.
„In Zeiten einer globalen Pandemie bekommen zudem grenzüberschreitende Gesundheitsprogramme eine ganz neue Bedeutung – denn Viren machen nicht an Grenzen halt“, betonte Staatsrätin Erler weiter. Mit dem Kompetenzzentrum TRISAN (Trinationales Kompetenzzentrum für grenzüberschreitende Gesundheitskooperation am Oberrhein) habe das Land bereits vor vielen Jahren begonnen, im Gesundheitsbereich die Kooperation mit dem Grenznachbarn auszubauen. Diese Zusammenarbeit soll in Zukunft weiter vertieft werden. Dabei sollen zum Beispiel der Austausch im Bereich der Epidemiologie ausgebaut und Fragen der Patientenmobilität in einem grenzüberschreitenden Wegweiser aufbereitet werden.
Bekenntnis zu Europa
Ministerpräsident Kretschmann ergänzte abschließend: „Mit der schrittweisen Umsetzung der Frankreich-Konzeption trägt Baden-Württemberg entscheidend dazu bei, dass der Vertrag von Aachen von deutscher Seite belebt wird und der deutsch-französische Motor kein reines Lippenbekenntnis bleibt. Denn als Baden-Württemberger bekennen wir uns zu Europa. Für uns ist Europa Staatsräson, wie es auch in der Landesverfassung verankert ist“.
Die zehn Aktionsfelder der Frankreich-Konzeption sowie eine Auswahl zugehöriger Maßnahmen
- Stärkung der Netzwerkarbeit und Kooperation in den Bereichen Industrie 4.0, Robotik und KI
- Weiterentwickeln des trinationalen Hochschulverbundes und des Europäischen Verbundes für Territoriale Zusammenarbeit „Eucor – the European Campus“ zu einer „Europäischen Universität“
- Planungsschritte für die Reaktivierung der Bahnstrecke Colmar-Breisach-Freiburg
- Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Strecke (Karlsruhe-)Rastatt-Rœschwoog-Haguenau-Obermodern(-Saarbrücken)
- Grenzüberschreitende Ausschreibung von SPNV-Verkehrsleistungen für die Linien Strasbourg-Lauterbourg-Wörth (- ggf. Karlsruhe), Offenburg-Strasbourg und Müllheim-Mulhouse
- Studie zur Entwicklung eines grenzüberscheitenden Tarifangebotes für den Schienenpersonennahverkehr auf allen grenzüberschreitenden Bahnstrecken zwischen Deutschland und Frankreich
- Imagekampagne „Lerne Französisch“
- Erhöhung der Begegnungs- und Austauschprojekte im Schulbereich mit Frankreich
- Stärkung deutsch-französischer Einrichtungen als Schlüsselinstitutionen zur Vermittlung der französischen Sprache und Kultur
- Prüfauftrag für die Verstetigung von TRISAN, einem trinationalen Kompetenzzentrum zur Optimierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Förderung von Kooperationsprojekten im Gesundheitsbereich
- Wissenschaftliche Erfassung der Mobilitätshindernisse
- Beförderung der Novellierung des Abkommens über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden in den Grenzgebieten und Ausbau und Intensivierung der operativen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
- Stärkung des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Kehl
- Fortentwicklung und Ausstattung der deutsch-französischen Wasserschutzpolizeistation
- Projektmittelfonds für Kleinprojekte und Vernetzung zwischen Baden-Württemberg und Frankreich
- Stärkung der Städtepartnerschaften durch regelmäßige Strategiedialoge auf kommunaler Ebene
- Online-Plattform für die baden-württembergisch-französische Grenzregion als gemeinsames Dach für bestehende Strukturen
- Ausbau des Zentrums für internationale Betriebsprüfungen Baden-Württemberg
- Förderung kultureller Austauschprogramme in allen Kunstsparten sowie Stipendien-Austauschprogramme
- Erhöhung der Austauschmaßnahmen im Berufsschulbereich
- Erweiterung der Kooperation beruflicher Schulen in Baden-Württemberg und im Elsass im länderübergreifenden Modellprojekt „Azubi-BacPro“
- Prüfung der Einrichtung einer deutsch-französischen Berufsausbildung bzw. Berufsschule mit integrierten Ausbildungsgängen und deutsch-französischem Abschluss
- Fortführung einer Koordinatorenstelle für grenzüberschreitende Ausbildungsbotschafter
- Reallabor Fessenheim als Beitrag zur Entwicklung der Region zu einer Pilotregion der CO2-armen und digitalen Wirtschaft
- Grenzüberschreitende Planung und Umsetzung einer Wärmeleitung von Kehl nach Straßburg.
- Ökologische Aufwertung des Rheins und seiner Auen im Naturschutzgebiet Taubergießen und auf der Ile de Rhinau
- Verbesserung grenzüberschreitender Verbindungen im Bereich Tourismus, Stärkung von Erlebnismöglichkeiten im Grenzgebiet, wie Rad- und Wanderwege sowie gemeinsame Freizeiteinrichtungen