Rund 50 zufällig ausgesuchte Bürgerinnen und Bürger beraten ab Samstag über den Nichtraucherschutz. Es geht darum, eine Änderung des Landesgesetzes vorzubereiten. Es folgen zwei Sitzungen des Bürgerforums in einem bewährten Online-Format. Am 26. Juli findet die letzte Sitzung statt. Sie wird voraussichtlich in Stuttgart stattfinden. Kurz danach übergeben die Zufallsbürger ihre Stellungnahme an die Landesregierung. Die Servicestelle Bürgerbeteiligung organisiert im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration die Dialogische Bürgerbeteiligung. Anlass für die Reform ist unter anderem das Aufkommen von E-Zigaretten.
Normales Gesetzgebungsverfahren wird ergänzt
„Das übliche Gesetzgebungsverfahren bleibt unverändert“, betonte der Leiter der Servicestelle Bürgerbeteiligung, Ulrich Arndt. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration hat einen sogenannten Anhörungsentwurf erstellt. Er wurde in der Regierungskoalition geeint. Der Ministerrat wird ihn formal am kommenden Dienstag beschließen. Es folgt die Anhörung von Verbänden und die ganze Bevölkerung kann den Gesetzentwurf auf dem Beteiligungsportal kommentieren. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration prüft die so erhaltenen Anregungen. Daraus entsteht der Einbringungsentwurf, der im Anschluss erneut vom Ministerrat beschlossen wird. Dieser Entwurf wird dem Landtag übermittelt, der dann über den Gesetzentwurf entscheidet. Die Besonderheit des Verfahrens besteht darin, dass das Bürgerforum parallel zur Verbändeanhörung und zur Online-Bürgerbeteiligung berät. Das Bürgerforum gibt seine Stellungnahme innerhalb der Anhörungsfrist ab. Die Landesregierung setzt sich mit den Vorschlägen des Bürgerforums auseinander. Danach erstellt sie den Einbringungsentwurf.
Dialogische Bürgerbeteiligung
Dialogische Bürgerbeteiligung unterstützt die repräsentative Demokratie. Ulrich Arndt erläutert: „Bei umstrittenen und konkreten Abwägungen hilft Dialogische Bürgerbeteiligung besonders gut“. Neben den üblichen Erkenntnisquellen erhält die Politik einen guten Einblick, welche Bedürfnisse die Bevölkerung hat. Gerade bei der Abwägung, wie weit die Freiheit des Rauchens reicht und wo der Gesundheitsschutz beginnt, sind solche Einblicke nützlich. Solchen Bürgerforen mit einer Gruppe ausgeloster Teilnehmenden sind ein bewährtes Verfahren der Bürgerbeteiligung, das weltweit erfolgreich angewandt wird. Dabei kommen auch stille Stimmen zu Wort. In Baden-Württemberg gibt es für die Dialogische Bürgerbeteiligung und die Auswahl der sogenannten Zufallsbürgerinnen und -bürger ein eigenes Gesetz.
Vorbereitungen
Das Bürgerforum zum geplanten neuen Nichtraucherschutzgesetz wurde intensiv vorbereitet. Im Sommer 2024 wurde das sogenannte Beteiligungsscoping sowie eine Online-Beteiligung durchgeführt. Angehört wurden dabei knapp 20 Verbände und Interessengruppen. Sie sammelten die relevanten Themen. Das wurde in einer Online-Beteiligung wiederholt. So entstand die sogenannte Themenlandkarte (PDF). Sie bildet die Grundlage für die Arbeit im Bürgerforum. Sie gab auch schon für den Referentenentwurf wertvolle Hinweise. Ferner gab es Anregungen, wer beim Bürgerforum vortragen soll. Ulrich Arndt gab einen Ausblick: „Die Zufallsteilnehmenden bekommen neben dem Gesetzentwurf ein breites Spektrum an Meinungen vorgestellt. Das reicht vom strengsten Gesundheitsschutz bis hin zu einem sehr liberalen Ansatz. Ihre Aufgabe wird es sein, die vorgebrachten Themen und Sichtweisen nach ihrer Wichtigkeit und Relevanz zu ordnen.“
Beteiligungsportal Baden-Württemberg: Nichtraucherschutzgesetz
Servicestelle Bürgerbeteiligung: Novellierung des Landesnichtraucherschutzgesetzes
Das Bürgerforum wird vierstufig durchgeführt:
- Auftaktsitzung am Samstag, den 05. Juli 2025 (in Präsenz im Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart)
- Erste Anhörung von Expertinnen und Experten am Montag, den 14. Juli 2025 (digital)
- Zweite Anhörung von Expertinnen und Experten am Donnerstag, den 17. Juli 2025 (digital)
- Abschlusssitzung am Samstag, den 26. Juli 2025, voraussichtlich in Stuttgart
Am Bürgerforum nehmen insgesamt 58 Personen teil. Die ältesten Teilnehmenden sind im Jahr 1953 geboren, die jüngsten im Jahr 2008. Sie kommen aus den Kommunen Aspach, Ebhausen, Erbach, Gemmingen, Gutach, Karlsruhe, Meßkirch, Mosbach, Reutlingen, Rheinau, Rheinfelden, Sternenfels, Waiblingen und Weinstadt. Beim Auftakt können voraussichtlich 43 Teilnehmende nach Stuttgart reisen.
Im ersten Schritt wurden insgesamt 7.500 Personen aus 15 Kommunen in Baden-Württemberg durch die Servicestelle Bürgerbeteiligung zufällig ausgewählt und angeschrieben. Die 15 Kommunen wurden ebenfalls aus den vier Regierungspräsidien des Landes mit Blick auf die unterschiedlichen Gemeindegrößen zufällig ausgelost.
Anhand der Rückmeldungen der angeschriebenen Bürgerinnen und Bürger wurde das Bürgerforum final zusammengesetzt. Da über 400 Personen Interesse an einer Teilnahme hatten, entschied das Los: Innerhalb nach sozioökonomischen Kriterien zusammengesetzten Kohorten wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgelost. So entspricht auch die finale Zusammensetzung die Verteilung der Landesbevölkerung zwischen den Regierungspräsidien, unterschiedlichen Altersgruppen und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
Zur Vorbereitung der dialogischen Bürgerbeteiligung führte die Servicestelle Bürgerbeteiligung im Juli 2024 ein „Beteiligungsscoping“ mit unterschiedlichen Interessensgruppen und Verbänden durch. Im Beteiligungsscoping wurden mögliche Themen und Fragestellungen für die dialogische Bürgerbeteiligung sowie potenzielle Inputgebende für das Bürgerforum identifiziert. Die Ergebnisse wurden in einer Themenlandkarte festgehalten.
Die Themenlandkarte aus dem Beteiligungsscoping (PDF) galt als Grundlage für die zweite Stufe der Beteiligung: Offene Online-Beteiligung auf dem Beteiligungsportal Baden-Württemberg. Bis Mitte August 2024 konnten alle interessierten Bürgerinnen und Bürger die Themenlandkarte kommentieren und die eingegangenen Kommentare bewerten. Insgesamt wurden über 770 Kommentare und mehr als 37.000 Bewertungen auf dem Beteiligungsportal eingereicht.
Nach der Online-Beteiligung wurde die Themenlandkarte aktualisiert. Sie gilt als wesentliche Grundlage für die Beratungen im Bürgerforum.
Im Rahmen der vier Sitzungen erarbeitet das Bürgerforum eine Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzesentwurf der Landesregierung. Hierbei formuliert das Bürgerforum Empfehlungen zu möglichen Anpassungen des Entwurfs. Die Empfehlungen werden der Landesregierung übergeben.
In der Auftaktsitzung werden die Bürgerinnen und Bürger zur Novellierung des Landesnichtraucherschutzgesetzes unter anderem von Manne Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg eingeführt. Anschließend priorisieren die Teilnehmenden Fragestellungen für ihre Sitzungen anhand der vorliegenden Themenlandkarte, wählen die Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus, die sie im Rahmen des Bürgerforums anhören möchten und formulieren konkrete Fragen an diese.
Die zwei digitalen Sitzungen stellen einen Mix aus Impulsvorträgen der Expertinnen und Experten und interaktiven Kleingruppenformaten dar. Auf den Impulsvorträgen aufbauend formulieren die Teilnehmenden thematische und übergreifende Empfehlungen zum aktuellen Gesetzesentwurf.
In der abschließenden Schreibwerkstatt werden alle Empfehlungen des Bürgerforums mit den Teilnehmenden konsolidiert. Diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die an der Abschlusssitzung nicht teilnehmen können, werden im Vorfeld gesondert einbezogen.
Die Moderation und Dokumentation des Bürgerforums übernimmt DIALOG BASIS, eine unabhängige Agentur für Bürger- und Stakeholder-Beteiligung mit Sitz in Dettenhausen.
Die Stellungnahme des Bürgerforums zum aktuellen Gesetzesentwurf liegt unmittelbar nach der abschließenden Schreibwerkstatt am 26. Juli 2025 vor.
Quelle:
Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung