Antisemitismus in unserer Gesellschaft gilt es entschlossen zu bekämpfen, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Schutz jüdischen Lebens im Land gehört zur Staatsräson Baden-Württembergs. Die Landesregierung wird deshalb einen Antisemitismusbeauftragten einsetzen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte in einer Rede im Landtag, der „Wahnsinn des Antisemitismus“ sei in Deutschland leider noch längst nicht überwunden, sondern in unserer Gesellschaft wieder angekommen. „Ja, der Antisemitismus ist sogar wieder in vielen Parlamenten angekommen“, bedauerte er. Das fordere die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt heraus.
Kretschmann warnte, der Antisemitismus trete das mit Füßen, worauf unsere Demokratie beruhe: der unantastbaren und gleichen Würde des Menschen. Deshalb unterstütze die Landesregierung den von den Fraktionen der Grünen, CDU, SPD und FDP eingebrachten Antrag, den Antisemitismus in Baden-Württemberg entschlossen zu bekämpfen. Genauso wie das Existenzrecht Israels zur Staatsräson der Bundesrepublik gehöre, sagte der Ministerpräsident, gehöre der Schutz des jüdischen Lebens zu Staatsräson Baden-Württembergs. Nach dem Grauen des Nationalsozialismus und des Holocaust sei es keine Selbstverständlichkeit, so Kretschmann, dass es wieder ein lebendiges, jüdisches Gemeindeleben in Deutschland gebe. Sondern: „Das ist ein Geschenk des Vertrauens. Dafür dürfen wir alle dankbar sein.“
Vier antisemitische Straftaten pro Tag bundesweit
Und doch wachse das Angstgefühl unter den jüdischen Mitbürgern wieder. Im vergangenen Jahr habe es allein in den ersten drei Quartalen 71 antisemitische Straftaten in Baden-Württemberg gegeben. „Bundesweit sind es sogar vier antisemitische Straftaten pro Tag!“, sagte Kretschmann. 2017 wurde die 2012 neu gebaute Synagoge in Ulm von Unbekannten beschädigt und geschändet.
Wer einmal ein Konzentrationslager oder die Erinnerungsstätte Yad Vashem in Israel besucht habe, oder mit Überlebenden des Holocaust gesprochen habe, dem werde bei solchen Zahlen und Ereignissen ganz anders, so Kretschmann.
Die deutsche Gesellschaft und Politik müsse sich ihrer Erinnerung stellen und aus ihr lernen. „Unsere ganze Geschichte ist Teil unseres nationalen Erbes und unserer Selbstvergewisserung. Und zwar die dunklen Kapitel ebenso wie die hellen“, sagte Kretschmann. Wer keine scharfe Trennlinie zu Antisemiten in den eigenen Reihen ziehe, der mache sich mit deren Sache gemein. „Niemand gibt heutigen Generationen die Schuld an den Verbrechen der Nazis. Aber wir alle tragen eine Verantwortung für unsere Geschichte und dafür, dass sich so etwas niemals wiederholt.“
Keine Toleranz gegenüber Antisemitismus
Kretschmann sagte, der Kampf gegen den Antisemitismus sei keine Folge eines schlechten Gewissens, sondern ein Gebot der Verantwortung für unsere Demokratie. Jede Form des Antisemitismus sei menschenverachtend. Dabei sei es egal, ob er von rechts, links oder der Mitte, von Christen, Atheisten oder Muslimen, von Alteingesessenen oder Zugewanderten käme. Ihm gegenüber dürfe es keine Toleranz geben. „Die Normen und Werte unserer Verfassung gelten für uns alle – und zwar ohne Wenn und Aber!“
Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung
Kretschmann sagte, die Vorstände der israelitischen Religionsgemeinschaften hätten sich an die Politik gewandt und nach einer Ansprechperson gebeten, an die sich Betroffene bei antisemitisch motivierten Straftaten und Vorfällen wenden können. Die Landesregierung nimmt diesen Vorschlag auf und wird einen Antisemitismusbeauftragten einsetzen. Ein Beraterkreis aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft wird den Antisemitismusbeauftragten unterstützen und begleiten. Alle vier Jahre wird er dem Landtag einen Bericht zum Antisemitismus und zu dessen Bekämpfung vorlegen.
Kretschmann sagte weiter: „Wir wollen ein blühendes jüdisches Leben in Baden-Württemberg. Wir brauchen lebendige Gemeinden und den selbstverständlichen Alltag von Juden und Nicht-Juden – unter Nachbarn, Kollegen und Freunden.“ Denn der menschliche Kontakt sei und bleibe das stärkste Mittel um Vorurteile zu überwinden und um Antisemitismus gar nicht erst entstehen zu lassen. „Lassen Sie uns als politisch Verantwortliche gemeinsam mit den Menschen im Land alles dafür tun, dem Antisemitismus wirksam entgegenzutreten, damit unsere gemeinsame Zukunft in Respekt, Vielfalt und Vertrauen gedeiht.“
Quelle:
/red