Stellungnahme

Stellungnahme von Staatsminister Murawski

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Klaus-Peter Murawski (Foto: © Staatsministerium Baden-Württemberg / die arge lola)

Da die Stuttgarter Zeitung nur auszugsweise aus der Stellungnahme des Staatsministers Klaus-Peter Murawski zu den Fragen der Zeitung zitiert hat, veröffentlichen wir Fragen und Stellungnahme auf unserer Website.

„Bis zur Eröffnung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens habe ich mit Andreas Braun gelegentlichen Kontakt gepflegt. Dabei hat er mich auch auf die öffentlich bekannte Kritik und die Überprüfungen der Abläufe in seiner Einheit angesprochen. Jedoch habe ich nach meiner Erinnerung mit Herrn Braun weder über das ihm heute vorgeworfene Netzwerk unterschiedlicher Partner, die Rechnungen gefälscht, betrügerisch Provisionen kassiert und Herrn Braun daran beteiligt haben sollen, noch über andere Straftaten gesprochen oder korrespondiert.“

Die Fragen:

  • Haben Sie an Heiligabend 2015 eine Nachricht an den damaligen Chef der International Unit (IU) des Klinikums Stuttgart, Andreas Braun, geschrieben, in der davon die Rede ist, dass „die chaotische Entwicklung in Libyen nicht vorhersehbar“ gewesen sei? Falls ja, was haben Sie damit gemeint?
  • Hat Herr Braun Ihnen am 10. Januar 2016 mitgeteilt, dass die Umsatzrendite der International Unit „nicht immer unter hundertprozentiger Beachtung städtischer Regularien“ zu erzielen gewesen sei? Falls ja, was hat er damit gemeint?
  • Hat Herr Braun Ihnen am 14. Januar mitgeteilt, dass Ihr Nachfolger Werner Wölfle davon gesprochen habe, „dass die IU eine tickende Zeitbombe sei“? Falls ja, was hat er damit gemeint?
  • Haben Sie am 22. Januar 2016 an Herrn Braun geschrieben: „Ich sage Dir Dank. Alles wird gut.“? Falls ja, was haben Sie damit gemeint?
  • Haben Sie am 26. Februar 2016 von Herrn Braun folgende Nachricht erhalten: „Über den GF wurde mir angedeutet und signalisiert, dass wohl die Staatsanwaltschaft Unterlagen (des Rechnungsprüfungsamts?) erhalten habe und dass es hier Aktivitäten geben könnte. Professor Graf und auch ich sind natürlich jederzeit für Dich erreichbar. Herzliche Grüße, Dein Andreas“.
  • Wann haben Sie davon erfahren, dass es einen Bericht des städtischen Rechnungsprüfungsamts gibt, der an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde?
  • Wann haben Sie davon erfahren, dass die Staatsanwaltschaft wegen Unregelmäßigkeiten bei der International Unit ermittelt?
  • Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, dass Sie „nie mit Herrn Braun über Unregelmäßigkeiten bei der International Unit gesprochen haben“?
  • Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, dass Sie „keinerlei Kontakt mehr zu Braun haben, „seitdem die Vorwürfe in der Welt sind“?

Stellungnahme von Staatsminister Murawski

„Lassen Sie mich bitte zunächst vorausschicken, dass die EDV-Abteilung des Staatsministeriums routinemäßig regelmäßig ein Update meines dienstlichen Smartphones vornimmt bzw. dieses austauscht. Aus diesem Grund sowie wegen des Löschen der Daten aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen und der „Dienstvereinbarung elektronische Daten“ im Staatsministerium stehen mir meine SMS-Nachrichten aus der von Ihnen angesprochenen Zeit nun nicht mehr zur Verfügung.

Deshalb bin ich mit Blick auf Ihre Fragen allein auf meine Erinnerung angewiesen. Daher sehe ich mich außerstande, Ihnen die gewünschten Informationen in der von Ihnen gewünschten Tiefe und Genauigkeit zu liefern. Demgemäß haben Sie sicher Verständnis, dass ich meine Stellungnahme zu Ihren Fragen mit der Einschränkung versehen muss: diese ist vorläufig und nach meiner heutigen – unvollständigen – Erinnerung.

Wir haben ja alle noch gut in Erinnerung, wie sehr uns die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 beschäftigt hat. Mein Tun und Denken war ab September 2015 bis Ende 2016 zentral von dem Management der Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg bestimmt, weil ich als Vorsitzender des Lenkungskreises des Landes für die Unterbringung der Flüchtlinge in Baden-Württemberg verantwortlich war. Dies zusätzlich zu meinen umfangreichen regulären Aufgaben als Chef der Staatskanzlei. In dieser Funktion hatte ich in dieser Zeit weitere wichtige Projekte wie zum Beispiel der Energiewende, der Terrorismusbekämpfung oder der Bund-Länder-Finanzreform zu leiten. Diese krisenhafte Situation führte dazu, dass ich täglich eine Flut von Nachrichten, E-Mails und SMS erhielt – gewiss noch mehr als sowieso schon sonst üblich. Die von Ihnen angesprochenen SMS-Nachrichten liegen in dieser Zeit und sie liegen damit jetzt länger als zwei Jahre zurück. Deshalb kann ich mich beim besten Willen nicht an einzelne Nachrichten und deren konkreten Inhalt erinnern.

Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass Ihnen offenbar der Nachrichtenaustausch mit Herrn Braun schriftlich vorliegt, mir hingegen nicht. Einer Sendung des SWR vom 9. Mai 2018 konnte ich entnehmen, dass diese Unterlagen bei Gericht für die Gemeinderäte einzusehen seien. Deshalb habe ich zur Beantwortung Ihrer Anfrage beim Oberbürgermeister als Vorsitzenden des Gemeinderats um Auskunft darüber gebeten, wo die Gemeinderäte Einsicht nehmen können und Akteneinsicht beantragt, um diese Unterlagen als Gedächtnisstütze verwenden zu können. Nachdem auch Sie offenbar über die vollständige SMS-Kommunikation zwischen mir und Herrn Braun verfügen, wäre es hilfreich und fair, mir diese vollständig zur Verfügung zu stellen.

Die Probleme der International Unit, die ab 2015 öffentlich diskutiert wurden, bezogen sich auf Projekte und Abläufe nach meiner Zeit als Stuttgarter Bürgermeister und standen auch deshalb damals nicht im Zentrum meines Interesses, auch wenn ich darüber immer wieder etwas in der Zeitung gelesen hatte. Deshalb kann ich mich beim besten Willen an Details der Kommunikation mit Herrn Braun in dieser Zeit nicht erinnern. Das hat nichts damit zu tun, dass ich es nicht für wichtig hielte, Ihre Fragen zu beantworten: Ganz im Gegenteil, ich habe größtes Interesse an der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts.

An die von Ihnen behaupteten SMS-Auszüge habe ich keine konkrete Erinnerung. Weihnachten 2015 war ich ab 21. Dezember 2015 mit meiner Familie in Miami im Urlaub. Diesen Urlaub habe ich nur angetreten, weil er nicht mehr kostenfrei stornierbar war. Schon was ich privat mit der Familie im Urlaub unternommen habe, weiß ich nicht mehr in jedem Detail. Es ist hoffentlich verständlich, dass ich mich nach fast 2,5 Jahren auch nicht mehr an einzelne SMS erinnere.

In der damaligen Kommunikation, die ich, wie gesagt, nicht mehr im Einzelnen und auch nicht zeitlich zuordnen kann, thematisierte Herr Braun die Zahlungssäumigkeit arabischer Staaten sowie, dass er bei Abschluss des Libyen-Vertrages die chaotische Entwicklung in diesem Land, mit einer Regierung in Tripolis, einer Gegenregierung in Bengasi und zahlreichen Warlords, die sich wechselseitig bekämpfen, nicht vorhersehen konnte.

Auch ist mir erinnerlich, dass Herr Braun bei Gelegenheiten, die ich ebenfalls zeitlich nicht mehr einordnen kann, darüber sprach, dass die aus seiner Sicht übertriebene Bürokratie ihm seine Tätigkeit erschwere, sowie dass Herr Braun mir gegenüber über eine aus seiner Sicht mangelnde Unterstützung durch den zuständigen Bürgermeister Wölfle sprach.

Im Übrigen sprachen wir insbesondere über familiäre Angelegenheiten von Herrn Braun. Diese waren unter anderem auch Gegenstand unseres nach meinem Kalender letzten persönlichen Treffens anlässlich eines Abendessens am 21. Januar 2016. Sicherlich werden Sie verstehen, dass ich mich zu familiären Angelegenheiten meines Gesprächspartners an dieser Stelle nicht äußere. Jedoch gehe ich davon aus, dass die von Ihnen erwähnte SMS vom 22. Januar 2016, an die ich mich leider ebenso wenig erinnere, sich auf dieses Gespräch bezog. 

Im Übrigen erinnere ich mich, dass irgendwann 2016 die Nachricht kam, dass gegen Herrn Braun staatsanwaltliche Ermittlungen aufgenommen worden wären. Selbst im Nachhinein ist beim Nachlesen der Presse das Gedächtnis nicht aufzufrischen, weil ich dazu nur Ex-post-Meldungen gefunden habe. Jedenfalls hat die Stadt Stuttgart am 17. Juni 2016 anlässlich der Beurlaubung von Herrn Braun erklärt, gegen keine Mitarbeiter des Klinikum gebe es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Wann immer die Nachricht über die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen Herrn Braun mich genau erreicht hat, habe ich zu diesem Zeitpunkt den Kontakt zu Herrn Braun abgebrochen und meinem Büro die Weisung gegeben, keine Termine mehr an Herrn Braun zu vergeben, bis das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorliegt. Dass dies auch so erfolgt ist, bestätigt eine Prüfung meines Terminkalenders.

Dass die Staatsanwaltschaft überhaupt ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn Braun einleitete, war für mich überraschend und schwerwiegend. Ich hätte bis dahin nie für möglich gehalten, dass man Herrn Braun vorwerfen könnte, sich persönlich etwas strafrechtlich Relevantes zu Schulden kommen gelassen zu haben, da ich bis dahin nur Informationen über Zahlungsversäumnisse von Libyen und Kuwait, Buchungsfehler und ähnliches hatte, auf die sich nach meiner Zeitungslektüre auch die Untersuchungen des Rechnungsprüfungsamtes richteten. Wann dieses Amt seine Akten der Staatsanwaltschaft weitergegeben haben soll, habe ich der Zeitung entnommen. Welchen Inhalt diese Akten haben und warum dies geschehen ist, weiß ich nicht. 

Auch soweit Herr Braun mir am 26. Februar 2016 die von Ihnen zitierte Nachricht übermittelt haben sollte, ergibt sich aus dieser Nachricht nicht, dass gegen Herrn Braun ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Sollte ich diese Mitteilung tatsächlich erhalten haben, hätte ich dieser sicherlich keinen weitergehenden Erklärungswert beigemessen, als dass Behörden auch ohne einen konkreten Tatvorwurf gegen irgendjemanden Unterlagen der Staatsanwaltschaft vorlegen, um eine objektivierte Prüfung in alle Richtungen durchzuführen. Aus der von Ihnen zitierten, behaupteten Nachricht lässt sich mithin auch heute für mich nicht der Schluss ziehen, Herr Braun habe mich über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn selbst unterrichtet. Dies insbesondere, als die Staatsanwaltschaft nach Durchsicht derartiger Akten häufig die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ablehnt.

Zur Klarstellung möchte ich noch anfügen: In dem Artikel der Stuttgarter Zeitung von 8. Mai 2017 werde ich mit der Aussage zitiert „nie mit Herrn Braun über Unregelmäßigkeiten bei der International Unit gesprochen“ zu haben. Mit „Unregelmäßigkeiten“ habe ich in diesem Zusammenhang die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Herr Braun gemeint, die nun offenbar zur Verhaftung von Herrn Braun führten; über diese und die dahinter liegenden Sachverhalte haben wir nach meiner Erinnerung nicht gesprochen.”