Drei Fragen an...

„Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen denken“

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Staatsministerin Theresa Schopper

Als Teil einer Delegation der Bundesregierung und der baden-württembergischen Kommunen nimmt Staatssekretärin Theresa Schopper an der UN-Gipfelkonferenz „Habitat III“ in Quito/Ecuador teil. „Wir müssen Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen denken, also beispielsweise auch im Städtebau und bei der Digitalisierung“, betont Schopper im Interview. Dabei sei es essentiell, die Menschen vor Ort zu beteiligen.

Warum sind Sie nach Ecuador gereist?

Theresa Schopper: Ich nehme dort an der Habitat III-Konferenz zu Smart Cities und nachhaltiger Stadtentwicklung teil. Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns als Landesregierung natürlich enorm bedeutend und ich freue mich, als Teil der Delegation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie des Bundesumwelt- und Bauministeriums an dieser wichtigen Konferenz teilnehmen zu können.

Denn Nachhaltigkeit ist schon lange kein rein umweltpolitisches Thema mehr, sondern wir müssen Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen denken. Also beispielsweise auch im Städtebau und bei der Digitalisierung. Eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklung ist unerlässlich, wenn man lebenswerte Städte für die Bürgerinnen und Bürger gestalten möchte. Ich freue mich darum besonders, dass ich auch Teil der baden-württembergischen Delegation unter der Leitung der Stadt Ludwigsburg bin. Denn die Kommunen sind besonders wichtig als Entwicklungsakteure in diesem Bereich und wir haben in Baden-Württemberg schon viele Städte, die hier mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht umsonst sind die baden-württembergischen Bürgermeister Werner Spec aus Ludwigsburg und Dr. Peter Kurz aus Mannheim mit mir in Quito.

Es ist sehr wichtig, die Städte in die Entwicklungsagenda miteinzubeziehen. Über 50 Prozent der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Bis 2050 wird der Anteil der Stadtbewohner auf rund 70 Prozent steigen. Jede Woche ziehen 1,4 Millionen Menschen in Städte oder werden dort geboren. Das sind mehr als doppelt so viele Menschen, wie in Stuttgart wohnen.

Die große Anzahl an Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern – von der Bürgermeisterin von Paris bis hin zu Vitali Klitschko aus Kiew – und ihre engagierte Teilnahme an der UN-Konferenz zeigen, dass die kommunale Ebene auf eine derartige Gelegenheit, in der ihre Themen in einem UN-Zusammenhang diskutiert werden, gewartet hat. Es zeigt aber auch, dass Sie schon heute gut vernetzt sind.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie nach den ersten Tagen auf der Konferenz mit nach Hause?

Schopper: Mir ist hier nochmals sehr bewusst geworden, dass bei der Stadtentwicklung das Konzept der sogenannten Smart Cities weltweit ein übergeordnetes Thema ist. Dabei steht Smart City als Sammelbegriff für Entwicklungskonzepte, die das Ziel haben, unsere Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver und damit nachhaltiger zu machen. Gerade in Städten stehen Wirtschaft, Soziales, Partizipation, Mobilität, Umwelt und Lebensqualität in einem unmittelbaren Zusammenhang. Es lässt sich das eine also nicht planen, ohne das andere mitzudenken. Da hat man in der Vergangenheit bei der Städteplanung oft zu wenig darauf geachtet. Die Probleme, die damit zusammen mit den Städten gewachsen sind, müssen wir heute lösen.

Wichtiger ist noch, aktuelle und künftige Planungen am Konzept der intelligenten Stadt auszurichten, dass wir nachhaltig wirtschaften, dass wir mit dem Klimaschutz Ernst machen und die sozialen Fragen aufgreifen. Kinder sollen nicht nur zur Schule gehen, sondern die Chance zum Aufstieg durch Bildung muss gewährleistet sein. In der Stadt der Zukunft sollen die Menschen arbeiten und ihre Freizeit genießen können, ohne dass dies die Umwelt belastet. Dabei steht den Bewohnern alles zur Verfügung, was sie zum Leben brauchen: sauberes Wasser, gesunde Nahrung, umweltfreundliche Energie, effiziente Verkehrskonzepte und gute Luft.

Man spürt hier in Quito noch immer den Schwung, der aus der Pariser Klimaschutzkonferenz in Sachen Nachhaltigkeit genommen wurde. Denn diese Klimaziele zu erreichen, gelingt nur, wenn in den Städten die Weichen anders gestellt werden. Darüber hinaus ist es von immenser Bedeutung, dass wir die Infrastruktur gerade im Verkehrsbereich nachhaltig umbauen. Das Gelingen des öffentlichen Nahverkehrs ist deshalb ein Schwerpunkt in vielen Städten. Wenn man sich den Verkehrskollaps mit all seinen Auswirkungen auf Luft, Gesundheit, CO2-Ausstoß weltweit vor Augen hält, weiß man - hier brennt es.

Das klingt alles nach einer gewaltigen Herausforderung. Also genau das richtige für einen Spitzentechnologiestandort wie Baden-Württemberg und ein Land international angesehener Planungs- und Architekturunternehmen im Bereich nachhaltiger und zukunftsorientierter Stadtentwicklung. Zudem haben wir in Baden-Württemberg die Unternehmen, die in Zukunft weltweit klimafreundliche Mobilität ermöglichen können. Dies muss ein Treiber für ihr Geschäftsmodell werden.

Welchen Einfluss hat die Stadtentwicklung auf den sozialen Zusammenhalt und die Nachhaltigkeit?

Schopper: Wir erleben einen weltweiten Trend der Urbanisierung. Auch in Baden-Württemberg steigt die Einwohnerzahl in den Städten stetig an. Bereits knapper Wohnraum wird ein immer wertvolleres Gut. Es besteht also die Gefahr, dass viele Menschen es sich gar nicht mehr leisten können, in der Stadt zu wohnen. Der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete und der demografische Wandel, der einen anderen Anspruch an das Leben im Alter stellt, sind weitere Herausforderungen für die Städte. Da ist es wichtig, dass es nicht zu Gettobildung kommt oder einkommensschwache Menschen aus den Städten verdrängt werden.

Mit der Zahl der Menschen in den Städten steigt auch die Anzahl an Fahrzeugen und das Bedürfnis nach Mobilität allgemein. Parkplatzprobleme, Staus und Luftverschmutzung sind die Folge. Das können wir schon heute in unseren Städten beobachten. Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, Sharing-Konzepte, neue Formen der Parkraumbewirtschaftung und die Renaissance des Fahrrad- und Fußverkehrs sind einige mögliche Antworten darauf.

Die Energieversorgung sowie die Ver- und Entsorgung mit Waren, Nahrung, Wasser und Abfälle in den Städten der Zukunft muss gewährleistet sein und dabei möglichst aus regionalen Quellen stammen. In Zukunft sind nicht nur die Menschen miteinander vernetzt, auch die Systeme einer Stadt müssen immer mehr miteinander kommunizieren. Nur so kann der Organismus Stadt so effizient und ressourcenschonend wie möglich am Leben bleiben.

Für den sozialen Zusammenhalt aber auch für die Nachhaltigkeit der Stadtentwicklung ist es dabei essentiell, die Menschen vor Ort zu beteiligen – das hat auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nochmals betont. Das verbessert in der Regel nicht nur das Ergebnis, sondern fördert auch die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt und ihrem Viertel. Die Beteiligung des Bürgers an öffentlichen, politischen Entscheidungen und die Vereinfachung von Verwaltungsangelegenheiten durch neue Technogien und automatisierte Institutionen ist daher auch ein wichtiges Ziel der Smart City. Sie trägt aber auch dazu bei, die Verwaltung, Bürger und Unternehmen besser zu vernetzen und den Alltag zu vereinfachen.

Die Habitat III-Konferenz zeigt, dass das dies weltweit der Maßstab sein muss, an denen sich Städte messen lassen und entwickeln müssen. Eine nachhaltige Stadtentwicklung, Wohnungen zu haben, Zugang zu Bildung zu schaffen und eine gute Infrastruktur zu schaffen, ist auch ein Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung.