Klimaschutz

Fünf Thesen zum Klimaschutz

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Rede an der University of Oxford

Baden-Württemberg müsse beim Klimaschutz auftrumpfen und jede Bescheidenheit ablegen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei einem Vortrag vor der German Society an der ehrwürdigen Universität von Oxford. Er stellte fünf Thesen zum Klimaschutz auf.

Im Rahmen seiner Reise nach England hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann die German Society an der Universität von Oxford besucht. In seiner Rede vor gut etwa 120 interessierten Studierenden machte er klar, dass der Klimaschutz die menschliche Existenzfrage schlechthin sei. „Die Frage entscheidet darüber, ob unsere Erde ein lebenswerter Planet bleibt oder nicht“.

Er kündigte an, dass Baden-Württemberg das erste klimaneutrale Industrieland der Welt werden möchte. Normalerweise gebe Baden-Württemberg höchstens mit seiner Bescheidenheit an. Aber in Fragen des Klimaschutzes müsse man auftrumpfen.

Das Zeitalter des Menschen

Er stellte vor den Studierenden fünf Thesen zum Klimaschutz auf. Mit seiner ersten These schließt sich Kretschmann einer großen Mehrheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an, indem er das aktuelle Zeitalter als Anthropozän bezeichnete. „Es sind wir Menschen, die mittlerweile zur bestimmenden Kraft in Umwelt und Klima geworden sind. Weil wir massiv in alle Naturkreisläufe eingreifen“, fasste Kretschmann seine Einschätzung zusammen.

Der Mensch belaste über die Maßen Wasser, Böden und Luft und verschwende Ressourcen und destabilisiere das Klima. In der Folge nähere sich der Planet irreversiblen Kipppunkten. Also Ereignisse, die sich nicht mehr Rückgängig machen und die Klimaerhitzung zudem weiter beschleunigen. Als Beispiele nannte er die schmelzenden Polkappen oder die auftauenden Permafrostböden.

Die große Transformation

„Wir haben nur noch wenige Jahre, um die globale Erhitzung einzudämmen. Doch dazu müssen wir konsequent umdenken und konsequent handeln“, leitete Kretschmann zu seiner zweiten These über, dass es eine große Transformation brauche. Noch habe die Menschheit es in der Hand, diesen Wandel schöpferisch zu gestalten, anstatt von ihm überrollt zu werden. Dabei gehe es darum, eine Wirtschaft, die 250 Jahre von Kohle, Öl und Gas betrieben wurde, in nur 25 Jahren auf erneuerbare Energien umzustellen. „Das ist nichts anderes als eine neue industrielle Revolution“, umriss Kretschmann dieses Unterfangen.

Hierfür müsse man die Wirtschaft und Alltag unabhängig von fossilen Energien machen und die erneuerbaren massiv ausbauen. Es brauche eine Wende zu einer nachhaltigeren landwirtschaftlichen Produktion und man müsse die Mobilität neu erfinden. „Das alles muss schnell gehen, sonst werden wir in wenigen Jahrzehnten unseren Planeten nicht wiedererkennen“, mahnte der Ministerpräsident.

Bündnis aller Kräfte

Doch könne man diesen Wandel nicht alleine schaffen, daher müsse man alle Kräfte bündeln, leitete Kretschmann seine dritte These ein. Neben der internationalen Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene brauche es dafür auch auf der subnationalen Ebene ein breites Bündnis. „Deshalb habe ich mit dem früheren kalifornischen Governor Jerry Brown vor einigen Jahren die ‚Under2 Coalition‘ gegründet. Inzwischen ist daraus ein weltumspannendes Bündnis geworden“, so Kretschmann. Die Under2 Coalition umfasst heute 260 Länder, Regionen und Städte aus über 40 Staaten, in denen zusammen mehr als 1,75 Milliarden Menschen leben und 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft vereinen.

„Während die CO2-Emissionen global leider immer weiter steigen, haben die Regionen unseres Bündnisses ihren CO2-Ausstoß gesenkt! Aber wir müssen nicht nur zwischen Staaten und Regionen Koalitionen für die ökologische Transformation abschließen. Wir müssen die Menschen dafür gewinnen, mitzumachen und aus dem Kampf gegen die Klimaerhitzung ein Gemeinschaftsprojekt zu machen.“

Mehr zu gewinnen als zu verlieren

Um die Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen müsse man zeigen, dass es mit der großen Transformation mehr zu gewinnen als zu verlieren gäbe, so Kretschmanns vierte These zum Klimaschutz.

Zu aller vorderst natürlich einen lebenswerten Planeten – auch für unsere Kinder und Enkelkinder. „Und das heißt auch Freiheit für die kommenden Generationen. Denn diese wird nur im Rahmen einer intakten Natur und eines stabilen Klimas möglich sein. Darauf hat unser Bundesverfassungsgericht vor ein paar Monaten in einem wegweisenden Urteil hingewiesen“, erinnerte Kretschmann.

Die ökologische Transformation sei aber nicht nur eine Jahrhundertherausforderung, sondern eine Jahrhundertchance und damit auch die Grundlage für künftige wirtschaftliche Stärke und damit Wohlstand. „Das Land, das als erstes die Klima- und Ressourcenneutralität erreicht, hat seine wirtschaftliche Basis auf den Weltmärkten für Jahrzehnte gesichert“, machte Kretschmann klar. Baden-Württemberg könne hier als Hochtechnologieland besonders profitieren. Schon heute seien grüne Technologien längst Wachstumstreiber und Exportschlager.

„Und deshalb ist es unsere ganz besondere Rolle, zu zeigen, dass wir nicht nur Ökonomie und Ökologie zusammenbringen müssen, sondern dass wir es auch können. Klimaschutz und Wohlstand – das muss die magische Formel des 21. Jahrhunderts werden“, forderte Kretschmann.

Die Gesellschaft als Ganzes mitnehmen

Kretschmann machte klar, dass der Weg ins postfosile Zeitalter kein Spaziergang und der Gesellschaft als Ganzes einiges abverlangen werde. Nichtsdestotrotz sei es der richtige Weg.

Dabei müsse man jedoch den Zusammenhalt der Gesellschaft im Blick behalten und dürfe nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinwegentscheiden. Man müsse zuhören, wo es Kritik gäbe und auf Bedenken mit Argumenten antworten. „Nur wenn wir Lösungen entwickeln und Brücken bauen, statt Gräben aufzureißen, nur dann wird der Klimaschutz unsere Gesellschaft nicht spalten“, fasste Kretschmann seine fünfte These zusammen.

Quelle:

/red