Bürgerbeteiligung

Demokratiekonferenz 2025 im Kanton Aargau

Der Kanton Aargau und das Land Baden-Württemberg haben in Aarau in der Schweiz die achte Demokratiekonferenz veranstaltet. Im Mittelpunkt stand die Entwicklungs- und Zukunftsfähigkeit der Demokratie angesichts globaler Herausforderungen.

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Staatsrätin Barbara Bosch spricht auf der Demokratiekonferenz 2025 in Aarau (Schweiz).
Staatsrätin Barbara Bosch spricht auf der Demokratiekonferenz 2025 in Aarau (Schweiz).

Wie steht es um den Zustand demokratischer Systeme und die Legitimationsbasis demokratischer Entscheide in der Schweiz, in Deutschland und in Europa? Wie können demokratische Staaten in einer zunehmend interdependenten und digitalisierten Welt ihre Interessen gegenüber anderen Akteuren wirksam vertreten? Welche Instrumente stehen der Demokratie zur Verfügung, um mehrheitsfähiger Lösungen zu finden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich Referentinnen und Referenten sowie Teilnehmende aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft an der achten Demokratiekonferenz, die von der Staatskanzlei des Kantons Aargau und dem Staatsministerium Baden-Württemberg gemeinsam am 23. und 24. Oktober 2025 in Aarau veranstaltet wurde. Inputreferate an beiden Tagen wurden durch Podiumsdiskussionen und Workshops ergänzt sowie durch Möglichkeiten zum informellen Austausch abgerundet.

Mit engagierten Reden eröffneten Landammann Dieter Egli, Vorsteher des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI), und Barbara Bosch, baden-württembergische Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, die Demokratiekonferenz im Kultur- und Kongresshaus Aarau. Beide unterstrichen die Bedeutung der Konferenz für die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kanton Aargau und Baden-Württemberg sowie die Relevanz des Konferenzthemas angesichts der sich rasch ändernden globalpolitischen und gesellschaftlichen Realitäten. Landammann Egli betonte, wie wichtig es sei, die politische Deutungshoheit zu sichern. Hierfür müssten Demokratien in der Bevölkerung sichtbar sein, indem sie sich an die neue, schnelle Art zu kommunizieren anpassten. „Ein schönes Beispiel kommt sinnigerweise aus den USA: Martin Luther King hat mit ‚I have a dream‘ die Blaupause geliefert für eine Drei-Sekunden-Aussage, die für eine bessere, eine demokratischere Welt steht.“ Staatsrätin Bosch ihrerseits hob hervor, dass die Demokratie weltweit unter Druck gerate und die gemeinsame Demokratiekonferenz eine Plattform biete, um nationale Veränderungen zu analysieren und nach vorne zu blicken. „Ich danke dem Regierungsrat des Kantons Aargau für die gemeinsame Organisation der mittlerweile achten Demokratiekonferenz und für ihre nachbarschaftliche Gastfreundschaft.“

Zukunftsfähigkeit der Demokratie

Der erste Konferenztag hatte zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis für die aktuellen Herausforderungen demokratischer Systeme zu entwickeln. In seiner Keynote legte Prof. em. Dr. Hefried Münkler, emeritierter Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, die zentralen Herausforderungen dar, mit denen sich Demokratien konfrontiert sähen. Demokratien stünden heute in einem Spannungsfeld zwischen den Erwartungen einer beschleunigten, digitalen Gesellschaft und den notwendigen Aushandlungsprozessen, die Zeit, Kompromisse und Vertrauen erforderten, wobei sie sich ständig in Frage stellen und modernisieren müssten. Würden sie dies nicht tun, riskierten sie, technisch, moralisch und politisch überholt zu werden. Eine zentrale Komponente dieser Modernisierung sei es, die politische Mündigkeit und die mündigen Bürgerinnen und Bürger neu zu denken. Mahnende Worte sprach PD Dr. Veith Selk, Politik- und Sozialwissenschaftler auf dem Gebiet der Politischen Theorie und Intellectual History. Er identifizierte in seinem Inputreferat eine Erosion des demokratischen Konsenses in den politischen Eliten wie auch in der Bevölkerung. Demokratien und die wissenschaftliche Demokratietheorie seien deshalb zunehmend unvereinbar. Dies begünstige undemokratische Tendenzen, für die wir heute noch keine Lösung zu haben scheinen. Im dritten Inputreferat des ersten Konferenztags ging Prof. Dr. Damir Skenderovic, ordentlicher Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg, mit historischer Perspektive auf die Funktionsweise des Populismus ein. Er erinnerte die Teilnehmenden in diesem Zusammenhang daran, dass auch in einem Land wie der Schweiz, das stolz auf seine direktdemokratische Tradition sei, demokratische Strukturen nicht als selbstverständlich betrachtet werden dürften. Moderiert von Alan Cassidy, Politologe und Kommunikationsverantwortlicher der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), der die Teilnehmenden durch die Konferenz führte, wurden die aufgeworfenen Thesen und Konzepte in einer Podiumsdiskussion vertieft.

Lösungsansätze zur Stärkung der Demokratie

Am zweiten Konferenztag standen Innovationen und Lösungsansätze zur nachhaltigen Stärkung der Demokratie im Mittelpunkt. Grossratsvizepräsident Urs Plüss sowie Mitglied des baden-württembergischen Landtags Bernd Mettenleiter begrüßten die Teilnehmenden und erinnerten daran, wie wertvoll und schützenswert parlamentarische Prozesse und gemeinsame Werte für die Demokratie seien. „Dialog ist die Basis für gemeinsame Werte,“ so Grossratsvizepräsident Urs Plüss. Im Verlauf des Tages wurde klar, dass die Demokratie trotz vielfältiger Herausforderungen lern- und widerstandsfähig sowie insbesondere auch gestaltbar ist. Prof. Dr. Monika Bütler, ehemalige ordentliche Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, zeigte auf Basis empirischer Daten, dass unterschiedliche Formen der Demokratie zu ähnlichen Ergebnissen in der Sozialpolitik führen können. Eine differenzierte Betrachtung zur weit verbreiteten Niedergangserzählung bot das Inputreferat von Nina Poppel, Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Moderatorin beim Südwestrundfunk (SWR). Frau Poppel zeigte in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit den Sozialen Medien, dass diese als Plattform politischer Teilhabe die Demokratie erweiterten, aber auch Risiken für die Demokratie mit sich brächten. Durch rechtsstaatliche Regulierung sozialer Medien sowie durch die Förderung von digitaler Transparenz und Bildung, hätten soziale Medien jedoch das Potenzial, ein wertvolles demokratisches Medium zu sein. Prof. Dr. Monika Waldis Weber, Direktionsmitglied des Zentrums für Demokratie Aarau und Leiterin des Zentrums für Politische Bildung und Geschichtsdidaktik an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz, ergänzte diesen positiven Ausblick durch ihr Inputreferat. Sie präsentierte neue Ansätze im digitalen Bereich, welche die politische Mündigkeit junger Generationen fördern sollten. Die Themen des zweiten Konferenztages wurden in Workshops vertieft. Aufgrund der positiven Resonanz aus der Demokratiekonferenz 2023 in Reutlingen (D) wurde auch dieses Jahr ein Workshop von Schülerinnen und Schülern der Alten Kantonsschule Aarau (AKSA) durchgeführt. Zum Thema „Stories of the Future“ diskutierten die Kantonsschülerinnen und -schüler zusammen mit den Teilnehmenden über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Zukunft der Demokratie.

Erfolgreiche Durchführung der achten gemeinsamen Demokratiekonferenz

Mit den Reden von Staatsrätin Barbara Bosch und Staatsschreiberin Joana Filippi fand der zweite Konferenztag seinen Abschluss. Staatsrätin Bosch betonte die Wichtigkeit des Austauschs von Exponenten aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung. Staatsschreiberin Filippi fasste die beiden Konferenztage zusammen. Sie sprach dem Land Baden-Württemberg und insbesondere Staatsrätin Bosch ein großes Dankeschön für das Engagement und die konstruktive Zusammenarbeit bei der Durchführung der diesjährigen Demokratiekonferenz aus. Ebenfalls verdankt wurde die Unterstützung der Stadt Aarau, die Beiträge der Referierenden und Workshopleitenden sowie die aktive Teilnahme der über 150 Gäste. Staatschreiberin Filippi verabschiedete die Gäste und gab ihnen auf den Weg, dass die persönliche Freiheit nur in einer lebendigen Demokratie gesichert werden könne: „Dafür lohnt sich der Einsatz – gestern, heute und morgen.“

Quelle:

Kanton Aargau