Der ewige Zankapfel Länderfinanzausgleich ist in seiner jetzigen Form ab 2020 Geschichte. Unter dem Strich profitiert Baden-Württemberg – aber auch die anderen Länder – von der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Ergebnisse der Verhandlungen im Landtag präsentiert.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezog sich auf Max Weber, als er die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen als das Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß verglich. „Wir haben in den letzten Jahren ein richtig hartes Brett gebohrt. Und die gute Nachricht lautet: das Brett ist durch!“, verkündete Kretschmann bei der Regierungsinformation im Landtag.
Das Ergebnis, das die Regierungschefinnen und -chefs der Länder am 14. Oktober 2016 nach langen und schwierigen Verhandlungen mit dem Bund erzielt hätten, sei ein wirklicher Erfolg. „Ein Kompromiss mit Augenmaß, der das Gesamtwohl wie die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten im Blick hat“, resümierte Kretschmann.
Auch für Baden-Württemberg sei es ein gutes Ergebnis. „Wir werden ab dem Jahr 2020 brutto fast eine Milliarde Euro mehr in der Kasse haben als heute. Das ist ein großer Fortschritt – nicht nur für das Land, sondern auch für seine Kommunen“, sagte Kretschmann.
Konsequent auf Verhandlungen gesetzt
Die Landesregierungen unter Ministerpräsident Kretschmann haben beharrlich auf den Verhandlungsweg bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen gesetzt. Baden-Württemberg hat sich nicht einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angeschlossen. „Es ist Kernaufgabe der Politik, solche Probleme zu lösen und sie nicht an das Bundesverfassungsgericht abzugeben“, sagte Kretschmann. Man dürfe sich nicht wundern, wenn die Menschen das Vertrauen in die Politik verlören, wenn man als Politikerinnen und Politiker wichtige Probleme nicht mehr lösen könne, mahnte Kretschmann.
Zudem wäre es auch ein unsicherer Weg gewesen, da völlig unklar gewesen sei, wie Karlsruhe am Ende entschieden hätte. „Warum sollte das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Geberländer entscheiden?“, gab Kretschmann zu bedenken.
Trotz der schwierigen Ausgangslage und der vielen unterschiedlichen Interessen und Voraussetzungen der 16 Länder und des Bundes habe Baden-Württemberg – auch über längere Durststrecken hinweg – unermüdlich für eine Verständigung geworben. „Das alles hat viel Kraft, Nerven und auch Zeit gekostet. Aber heute können wir feststellen: Unser Weg, auf Verhandlungen zu setzen, und unsere Beharrlichkeit, aber auch unsere Kompromissbereitschaft haben sich ausgezahlt“, betonte der Ministerpräsident.
Gut für Baden-Württemberg und gut für den Föderalismus
Man habe eine wirklich gute Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erreicht, zog Kretschmann sein persönliches Fazit. Kein Land würde 2020 schlechter als jetzt dastehen. Die Länder hätten jetzt Planungssicherheit und es ermögliche ihnen – auch mit Blick auf die ab 2020 geltende Schuldengrenze – eine nachhaltige Haushaltspolitik.
„Vor allem ist das neue Modell aus Sicht eines Geberlandes wie Baden-Württemberg fairer und leistungsgerechter, aus Sicht finanzschwacher Länder tragfähiger und solider und aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger transparenter“, fasste Kretschmann den Kompromiss zusammen.
„Wir haben eine wirkliche Entlastung für das Land erreicht.“ Unter dem Strich seien es ab dem Jahr 2020 etwa 570 Millionen Euro. Davon flösse ein großer Teil direkt an die Kommunen. „Wie die zusätzlichen Einnahmen ab 2020 tatsächlich zwischen Land und Kommunen verteilt werden, das müssen wir zu gegebener Zeit mit den Kommunen klären“, kündigte Kretschmann an.
„Die Abschaffung des bisherigen Länderfinanzausgleichs ist auch aus einem weiteren Grund wichtig“, betonte Kretschmann. „Der ewige Streit darum, wer Geber- und Nehmerland ist, findet damit ein Ende. Der Gegensatz zwischen Geber- und Nehmerländern wurde ständig politisch instrumentalisiert, es wurden Neiddebatten geführt und gegenseitige Schuldzuweisungen vorgenommen“, so Kretschmann. Es sei gut für den Zusammenhalt im Föderalismus, dass man das hinter sich lasse.
Zugeständnisse an den Bund
„Dass es diesen Erfolg nicht zum ‚Null-Tarif‘ geben kann, muss allen klar sein“, so Kretschmann. Man sei bei den Forderungen hinsichtlich der Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bundesstaat auf den Bund zu gegangen. Den zu Beginn 15 Punkte umfassenden Forderungskatalog des Bundes habe man aber in zähen Verhandlungen reduzieren können, machte Kretschmann deutlich. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind noch wichtige Fragen offen. Im Einzelnen bedarf es daher noch eines intensiven Dialogs zwischen Ländern und Bund“, sagte Kretschmann.
„Wir haben einmal mehr gezeigt, dass wir in Deutschland große Herausforderungen über Partei- und Ländergrenzen hinweg meistern können. Das ist ein hoher Wert, gerade angesichts der zunehmenden Polarisierung in unserem Land und in Europa“, sagte Kretschmann. Er forderte die Länderchefs auf, sich bei der Ausgestaltung der Details bewusst zu machen, dass der Föderalismus auch eine große Verantwortung für die Länder sei. „Wenn wir diese Verantwortung wahrnehmen, dann ist Deutschland stark und handlungsfähig. Dieses Erfolgsrezept der letzten fast sieben Jahrzehnte dürfen wir nicht leichtfertig aus kurzfristigen politischen Erwägungen aus den Augen verlieren. Es ist einer der Gründe warum Deutschland stark und stabil ist“, so Kretschmann.
Bilderstrecke zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen