Flüchtlinge

Flüchtlingsgipfel schnürt Maßnahmenpaket

Verdopplung der Aufnahmeplätze, eine neue Lenkungsgruppe für Flüchtlingsfragen, mehr Unterstützung für die Kommunen, bessere Integration: Der Flüchtlingsgipfel der Landesregierung hat sich auf ein umfassendes Maßnahmenpaket verständigt. Damit reagiert die Landesregierung entschlossen auf die starke Zunahme der Flüchtlinge im Südwesten.

Als erster Ministerpräsident überhaupt hatte Winfried Kretschmann im vergangenen Herbst zu einem Flüchtlingsgipfel geladen. Vertreter aus Politik, Kommunen, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsorganisationen und Wirtschaft verständigten sich damals auf ein umfassendes Maßnahmenpaket für eine bessere Unterbringung, Betreuung und Integration der Flüchtlinge im Land.

In den letzten Monaten hat die Zahl der Flüchtlinge weiter zugenommen – und damit auch die Herausforderungen für alle Beteiligten. Weltweit sind mit 60 Millionen so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung und Unterdrückung wie nie zuvor. Auch nach Baden-Württemberg kommen immer mehr Flüchtlinge: Waren es schon im vergangenen Jahr rund 28.000 Menschen, so wird sich ihre Zahl in diesem Jahr wohl auf 58.000 mehr als verdoppeln.

Die Herausforderungen gemeinsam annehmen

Eine riesige humanitäre Herausforderung also, die nur gemeinsam gelöst werden kann. Die Landesregierung hat deshalb nun einen zweiten Flüchtlingsgipfel durchgeführt „Wir befinden uns bundesweit in einer Ausnahmesituation. Das gilt auch für Baden-Württemberg“, machte Ministerpräsident Kretschmann deutlich. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gipfels seien sich einig, „dass wir diese komplexe Lage nur bewältigen, wenn Bund, Land und Kommunen, Kirchen, Sozial- und Wirtschaftsverbände ihren Konsens der Hilfsbereitschaft nicht zerstören lassen – auch nicht durch hinterhältige Brandanschläge auf geplante Asylunterkünfte. Für Hass und Ausgrenzung ist bei uns kein Platz.“ Kretschmann beschwor die Verantwortungsgemeinschaft im Land und bedankte sich für das große Engagement aller Beteiligten: „Bei allen Schwierigkeiten, vor die wir uns gestellt sehen: Wir alle – Land, Kommunen und Zivilgesellschaft – leisten bereits Großartiges, um unserer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und den Menschen, die vor Not und Verfolgung geflüchtet sind, hier in unserem Land eine Heimat zu bieten.“

Gemeinsames Maßnahmenpaket für Flüchtlinge

Beim Flüchtlingsgipfel haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf folgende Maßnahmen zusätzliche geeinigt:

  • Um alle zu uns kommenden Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, baut die Landesregierung die Plätze in den Erstaufnahmestellen bis zum Jahresende um weitere 5.700 aus. 2016 kommen dann noch einmal mindestens 5.000 Plätze hinzu. Die Landesregierung hatte bereits in den vergangenen drei Jahren die Erstaufnahmeplätze auf rund 9.000 fast verzehnfacht. Das ist eine enorme Leistung: Baden-Württemberg hat damit bisher fast ein Viertel aller neuen Erstaufnahmeplätze in Deutschland geschaffen, wobei das Land 13 Prozent der bundesweiten Flüchtlinge aufnehmen muss.
  • Außerdem wird das Bauprogramm, mit dem die Landesregierung die Kommunen beim Bau von Flüchtlingsunterkünften unterstützt, ab 2016 um weitere 30 Millionen Euro aufgestockt. Die Regelung, wonach einem Flüchtling ab kommendem Jahr 7 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung stehen muss, wird wegen der landesweiten Ausnahmesituation für zwei Jahre zurückgestellt.
  • Die Landesregierung richtet eine Lenkungsgruppe für alle Flüchtlingsfragen ein. Diese besteht aus den Amtschefs des Staatsministerium, Integrationsministeriums, Innenministeriums und Finanzministeriums und kann verbindliche Entscheidungen treffen. Die kommunalen Spitzenverbände werden in die Lenkungsgruppe einbezogen.
  • Die Landesregierung wird in Baden-Württemberg eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen, sobald der Bund die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen hat. Bisher brauchen Flüchtlinge eine behördliche Genehmigung, wenn sie einen Arzt aufsuchen wollen. Das ist für die Menschen belastend und für die kommunalen Verwaltungen viel Arbeit.
  • Die Landesregierung fordert den Bund außerdem auf, die soziale Wohnungsbauförderung deutlich aufzustocken, um für zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Außerdem solle der Bund syrischen Flüchtlingen außerhalb des Asylverfahrens ein schnelles Bleiberecht ermöglichen.
  • Die Landesregierung verstärkt die Anstrengungen, Menschen, die im Land bleiben werden, noch schneller und besser zu integrieren. Damit die Flüchtlingskinder bei uns in der Schule gut mitkommen, aber auch um Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse auf die Arbeit vorzubereiten, werden weitere 200 Lehrerstellen für Sprachkurse in den Vorbereitungsklassen geschaffen.
  • Ein wichtiger Baustein ist auch das Förderprogramm „Chancen gestalten“, das die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt unterstützt.
  • Für Menschen vom Westbalkan ist das Asylrecht in den meisten Fällen eine Sackgasse. Um die Zahl der Asylbewerber vom Westbalkan zu reduzieren, wird sich die Landesregierung beim Bund dafür einsetzen, legale Zugänge zum Arbeitsmarkt für Arbeitssuchende aus diesen Ländern zu schaffen. Deutschland braucht ein modernes Zuwanderungsrecht, das klare Kriterien für eine Einwanderung vorgibt.
  • Außerdem fordert die Landesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft, dass Flüchtlinge, die eine berufliche Ausbildung machen, ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung und bei Übernahme für die ersten zwei Jahre danach erhalten.
  • Die Landesregierung unterstützt außerdem das Anliegen der Kirchen für ein Bündnis für Flüchtlinge, in dem sich Akteure der Zivilgesellschaft zusammenschließen sollen.
  • Die Landesregierung möchte mehr Asylbewerber ohne Bleibeperspektive dazu bewegen, freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren. Deshalb werden die Beratungsangebote zur freiwilligen Rückkehr ausgeweitet. Zudem wird die für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zuständige Stelle im Regierungspräsidium gestärkt. Ausreisepflichtigen Flüchtlingen, die sich weigern, zurückzukehren und sich der Rückführung entziehen, sollen künftig Leistungen wie etwa das Taschengeld gekürzt werden.
  • Der Hauptgrund für die aktuelle Flüchtlingsproblematik liegt darin, dass der Bund im Durchschnitt fast sieben Monate für die Bearbeitung eines Asylantrags im Südwesten benötigt. Das Land appelliert deshalb dringend an die Bundesregierung, das Personal beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zügig aufzustocken, um die Asylanträge schneller zu prüfen. Das würde die Situation in den Aufnahmestellen deutlich entspannen.

Pressemitteilung

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