Rede

Friedrich spricht auf didacta zur Dualen Bildung im Donauraum

Qualifizierung als Beitrag zu nachhaltigem Wachstum und internationaler Wettbewerbsfähigkeit der Donauregion

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

zu der heutigen Konferenz zum Thema Duale Bildung im Donauraum möchte ich Sie ganz herzlich begrüßen. Besonders begrüße ich Herrn Minister Gordan Maras vom Ministerium für Unternehmertum und Handwerk aus Kroatien sowie Herrn Staatssekretär Stefan Chudoba vom Wissenschafts- und Bildungsministerium der Slowakei. Auch aus Rumänien haben wir mit Herrn Stelian Fedorca, dem Berater des Bildungsministers für die beruflliche Qualifizierung, einen hochrangigen Vertreter für diese Veranstaltung gewinnen können, zudem ist natürlich auch Baden-Württemberg mit hochrangigen Persönlichkeiten hier vertreten.

Alleine die exklusive Zusammensetzung unserer heutigen Veranstaltung unterstreicht bereits, welch großes Interesse an den heute hier diskutierten Themen im Moment besteht! Die duale Ausbildung stellt eine deutsche Besonderheit dar, die weltweit Interesse hervorruft und echtes Potential zum Exportschlager hat.

Lassen Sie mich gleich zu Beginn den Begriff der dualen Ausbildung erläutern, der in manchen Ländern und Staaten anders interpretiert wird als wir ihn gemeinhin verstehen. Die duale Ausbildung wie wir sie in Baden-Württemberg praktizieren, beruht auf zwei gleichberechtigten Teilen, nämlich dem einer qualifizierten schulischen Ausbildung und dem einer qualifizierten praktischen.

Auf der einen Seite stehen uns also starke berufliche Schulen im Land zur Seite, die im Kompetenzbereich des Bildungsministerium des Landes liegen; auf diese Weise ist ein hohes schulisches Niveau garantieren. Auf der anderen Seite haben wir die Betriebe und Kammern im Boot, die für den berufspraktischen Teil der Qualifizierung allein die Verantwortung tragen, sie bilden die jungen Menschen konkret im Betrieb aus und die Kammern nehmen die praktischen Prüfungen ab. Dafür gibt es vereinheitlichte Standards und Prüfungsordnungen.

Ich hole an dieser Stelle deshalb so weit aus, weil dieser duale Weg, dieses aufeinander abgestimmte Duett zwischen Schulen einerseits und Betrieben und Kammern andererseits eine Besonderheit ist, die eine lange Tradition bei uns hat und auf einem ausgefeilten System beruht, das über viele Jahrzehnte gewachsen ist und sowohl fest in unserem Bildungssystem als auch in der Arbeit der Kammern und Betriebe verankert ist.

Wenn wir also von dualer Ausbildung hier in Baden-Württemberg sprechen, meinen wir damit die Möglichkeit, junge Menschen in einem konkreten Berufsbild über meist drei Jahre hinweg qualifiziert zu trainieren und unter einheitlichen Standards zu prüfen.

Der Hintergrund für das jüngst so enorm gestiegene Interesse an der beruflich qualifizierten Ausbildung und insbesondere dem Dualen System ist dabei kein erfreulicher: Die saisonbereinigte Jugendarbeitslosenquote in der Europäischen Union lag jüngst bei etwas unter 24 %. Das bedeutet, dass fast jeder vierte junge Mensch in Europa arbeitslos ist!

Wie Sie sicher wissen, haben die europäischen Staats- und Regierungschefs im Juni des vergangenen Jahres ein Hilfspaket zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von 6 Milliarden Euro beschlossen. Im Rahmen einer sogenannten Jugendgarantie sollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicherstellen, dass junge Menschen unter 25 Jahren innerhalb von 4 Monaten, nachdem sie die Schule verlassen haben oder arbeitslos werden, eine hochwertige Arbeit, eine Aus- oder Weiterbildung oder zumindest ein Praktikum erhalten.

Das alles ist ein wichtiger europäischer Schritt in die richtige Richtung. Es kann aber nicht sein, dass junge Menschen, die sich in der Schule oder in der Ausbildung anstrengen und gute Noten haben, anschließend vor dem Nichts stehen. Es kann auch nicht sein, dass junge Menschen, die eben nicht das Privileg einer guten Ausbildung haben, auf der Strecke bleiben.

Die Bereitstellung von europäischen Mitteln und die Jugendgarantie sind zwar ein Anfang. Die Umsetzung dieser Jugendgarantie - und das ist die wirkliche Herkulesaufgabe - obliegt aber nun den Mitgliedstaaten. Letztlich wird man uns am Ende des Tages nicht an der Anzahl der veranstalteten Krisengipfel messen, sondern daran, was wir ganz konkret vor Ort tun und erreichen. Da sind nicht nur die Staaten, sondern gerade auch die Länder und Regionen gefragt.

Projekte und Erfolgsgeschichte der dualen Qualifizierung im Donauraum

Neben der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern ist für uns als Land Baden-Württemberg die Donauraumstrategie ein zentraler Handlungsrahmen, um den reichhaltigen Erfahrungsschatz des Landes in der beruflichen Qualifizierung in die europäische Zusammenarbeit einzubringen.

Die Donauraumstrategie bildet einen Schwerpunkt unseres europapolitischen Engagements. Baden-Württemberg hat als erste Region innerhalb Europas das wirtschaftliche, politische und kulturelle Potenzial der Region des Donauraums erkannt und ist heute ein wichtiger Impulsgeber für die kontinuierliche Fortentwicklung dieses gemeinsamen, transnationalen Projektes.

Im Donauraum mit seinen 14 Mitgliedsstaaten sind wir häufig mit der paradoxen Situation konfrontiert, dass unsere in der Region tätigen Unternehmen aus Baden-Württemberg einerseits über Fachkräftemangel klagen, gleichzeitig aber eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Sie erfordern länderspezifische Lösungsansätze, die von Politik und Verwaltung auf der einen Seite, von der Wirtschaft auf der anderen Seite gemeinsam vor Ort entwickelt und getragen werden.

Die EU-Donauraumstrategie gibt uns Werkzeuge an die Hand, diese Herausforderungen vor Ort gemeinsam anzugehen. Auch die heutige Veranstaltung ist ein Produkt der EU-Donauraumstrategie und geht direkt aus dem von Kroatien und Baden-Württemberg koordinierten Schwerpunktbereich 8 "Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und Clusterentwicklung" hervor.

Die dort angesiedelte Arbeitsgruppe "Berufsausbildung und Lehrgänge" befasst sich mit der Förderung der beruflichen Bildung im Donauraum. Auch im Rahmen des Prioritätsbereichs 9 „Investitionen in Menschen und Qualifikationen“ wird dieses Thema aktiv unterstützt.

In einer ganzen Reihe von konkreten Projekten gibt es bereits Fortschritte. So können wir beispielsweise auf ein länderübergreifendes Kooperationsprojekt zurückblicken, das bei der Kompetenzentwicklung von Lehrkräften beruflicher Schulen in der Donauregion ansetzt. Hier wurden durch das Kultusministerium Baden-Württemberg und die Landesakademie für Lehrerfortbildung in Esslingen Multiplikatoren aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn für die Fortbildung von Lehrkräften im gewerblich-technischen Bereich in den Berufsfeldern Metall-, Elektro-, Fahrzeugtechnik geschult.

Die Weiterentwicklung des beruflichen Qualifizierung von staatlicher Seite ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und zur Deckung des Fachkräftebedarfs, jedoch keinesfalls der einzige. Ein starkes Engagement der Wirtschaft vor Ort hinsichtlich der Ausbildung künftiger Fachkräfte ist die zweite wesentliche Grundvoraussetzung, die den Erfolg der beruflichen Qualifizierung hier bei uns im Land prägt.

Auch in diesem Bereich trägt die Zusammenarbeit im Donauraum an vielen Stellen bereits Früchte: Im Juni 2013 wurde in Stuttgart von Herrn Premierminister Victor Ponta und Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Erklärung über die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung zwischen Rumänien und Baden-Württemberg unterzeichnet.

Gleichzeitig entstehen vor Ort in Rumänien derzeit verschiedene regionale Pilotprojekte zur Einrichtung von dualen gewerblich-technischen Bildungsgängen u.a. in Alba Iulia, Sibiu und Temeswar. In diesen Pilotprojekten arbeiten Vertreter der zuständigen Ministerien, Regionalbehörden und Fortbildungseinrichtungen gemeinsam mit den Partnern auf Seiten der Wirtschaft daran, die Einführung dualer Ausbildungsstrukturen zu unterstützen. Dazu werden wir im Laufe des Tages noch mehr hören. In Esslingen tagt heute auch eine der zuständigen Projektgruppen aus Vertretern der rumänischen Behörden, Unternehmen aus Baden-Württemberg mit Niederlassungen in der Region wie beispielsweise Daimler sowie der Landesakademie für Lehrerfortbildung.

Ein weiteres vielversprechendes Pilotprojekt mit dem Ziel des Aufbaus einer Donauakademie im dualen Berufsbildungsbereich in der Slowakei ist derzeit in der Entwicklung. Die dortige Regierung unter Herrn Staatssekretär Stefan Chudoba, aus dem Wissenschafts- und Bildungsministerium in Bratislava, der ja heute auch hier anwesend ist, beabsichtigt, ein EU-finanziertes Vorhaben zunächst im Automobilsektor unter Einbindung mittelständischer Unternehmen zu entwickeln.

Hierzu findet aktuell eine Projektantragsvorbereitung unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder statt. Die Federführung hat die Slowakei. Auch Österreich ist beteiligt. Baden-Württemberg als Koordinator der PA 8 begleitet das Projekt und bietet mit seinen Ministerien Unterstützung an.

Aber auch in anderen Sektoren gibt es vielversprechende Ansätze: so arbeiten beispielsweise die Stiftung Liebenau und der Verband sozialer NGOs in Bulgarien gemeinsam an einem beruflichen  Ausbildungskonzept für soziale Berufe in Bulgarien, um den Fachkräftemangel vor Ort etwa in den Bereichen der Alten- und Behindertenhilfe zu lindern.

Kommende Herausforderungen

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es geht einiges voran im Donauraum – trotzdem werden die Bekämpfung von Fachkräftemangel und Jugendarbeitslosigkeit im Rahmen der EU Strategie für den Donauraum noch jahrelang spannende Themen bleiben.

Die wesentliche Herausforderung im Donauraum wird künftig darin bestehen, das Engagement in bestehenden regionalen Pilotprojekten aufzugreifen, mit nationalen Strukturen und Systemen zu verbinden und beispielsweise einheitliche Prüfungsordnungen und Standards zu entwickeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass es zu einem Flickenteppich unterschiedlichster Lösungen und Standards kommt, in dem die großen Unternehmen ihre Fachkräfte nach Bedarf komplett selbst ausbilden, ohne ausreichende Vergleichbarkeit der Abschlüsse oder Einbeziehung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Gleichzeitig gilt es, angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels insbesondere im Bereich der Facharbeiter sowohl in Baden-Württemberg als auch in unseren Partnerländern für die Attraktivität der qualifizierten Berufsausbildung zu werben.

Dazu ist mit der heutigen Veranstaltung auf der Didacta ein exzellenter Treffpunkt gewählt worden. Die Didacta mit ihren rund 900 Ausstellern und mehr als 90.000 Besuchern ist Europas größter Bildungsmarkt. Es freut mich sehr, wenn die Veranstaltung heute dazu beitragen kann, die Öffentlichkeit und Unternehmen über das wirtschaftliche Potenzial des Donauraums zu informieren und Kooperationen im Bildungsbereich und in der Wirtschaft anzuregen.

Besonderes Potential besteht dabei insbesondere durch den Austausch von Erfahrungen bei der Entwicklung und dem Ausbau einer praxisorientierten beruflich qualifizierten Ausbildung. Unterschiedliche Akteure, die sich in diesem Bereich im Rahmen der Donauraumstrategie der EU engagiereAn und Projekte entwickeln wollen, kommen direkt ins Gespräch – und ich erhoffe mir, dass daraus starke Impulse für die berufliche Bildung im ganzen Donauraum hervorgehen.

Ich bedanke mich für Ihr Kommen und wünsche Ihnen einen spannenden und inspirierenden Tag. Nutzen Sie die Didacta bei der Erweiterung ihres internationalen Netzwerks und für die Entwicklung künftiger Kooperationen im Donauraum. An Gesprächspartnern und Ideen mangelt es hier sicherlich nicht.

(Es gilt das gesprochene Wort.)

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