Regierungserklärung

Die Demokratie frischer und lebendiger machen

Die Landesregierung wagt mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie. Das macht die Demokratie frischer und lebendiger, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Regierungserklärung. Dieser Weg sei nicht immer leicht, führe aber oft zu besseren Ergebnissen.

„Demokratie ist nichts Statisches, sondern ein Prozess, der immer wieder neu begründet und befeuert werden muss“, betonte Kretschmann. Seine Landesregierung habe deshalb einen Aufbruch für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie begonnen. „Ob die Demokratie Bestand hat, hängt ganz entscheidend von unserer Fähigkeit ab, die Demokratie immer wieder zu erneuern“, so der Ministerpräsident.

Aufbruch für mehr Demokratie

Genau wie die Gesellschaft sei auch die Demokratie immer in Bewegung. „Die gesellschaftlichen Bindungskräfte sind in den letzten Jahren kontinuierlich schwächer geworden. Die Gesellschaft differenziert sich aus, sie wird pluralistischer und individualistischer“, sagte der Ministerpräsident. Deshalb brauche es „Wege des zivilisierten Gesprächs und des zivilisierten Streits“, um Kompromisse auszuhandeln.

Mehr Beteiligung und Mitbestimmung seien zwar oft anstrengend, so Kretschmann, „allerdings sind die Kompromisse, die am Ende herauskommen, meist auch besser. Denn sie beziehen die Interessen aller ein und ruhen auf dem Wissen und den Einsichten Vieler.“

Mehr Rechte für die Bürger

Dabei baue die Strategie der Landesregierung auf zwei Bausteinen auf: dem Ausbau der Bürgerbeteiligung und mehr direkter Demokratie. Das eine dürfe dabei nicht mit dem anderen nicht verwechselt werden.

„Bei der direkten Demokratie können die Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen an sich ziehen und die Letztentscheidung treffen“, so Kretschmann. Ein Beispiel dafür sei die Volksabstimmung zu Stuttgart 21, bei der eine klare Mehrheit für die Weiterfinanzierung des Projekts gestimmt habe. „An diese Entscheidung sind wir gebunden“, sagte Kretschmann.

Bei der Bürgerbeteiligung hingegen gelte der Grundsatz: „Alle werden gehört, die Lauten und die Leisen. Alle Argumente werden geprüft und gewichtet. Gute Argumente fließen in die Entscheidung ein. Aber am Ende wird entschieden – und zwar von den verfassungsmäßig dafür vorgesehenen Organen“, sagte Kretschmann.

Zahlreiche erfolgreiche Beteiligungsverfahren

Dennoch könnten die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinungen und Argumente einbringen und so ganz erheblichen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung eines Projektes nehmen. Ein Beispiel dafür sei der Nationalpark Schwarzwald. „In diesem Nationalpark steckt mehr Bürgerwille als in jedem anderen Nationalpark“, so Kretschmann. „Hätten wir die Bürgerschaft nicht beteiligt, sähe der Nationalpark heute völlig anders aus.“ Gleiches gelte für die vielen weiteren Projekte, bei denen die Landesregierung die Bürgerschaft intensiv mit eingebunden hat, etwa der Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth, dem Klimaschutzkonzept, dem Gesundheitsdialog oder dem Pumpspeicherkraftwerk Atdorf. Mit dem neuen Online-Beteiligungsportal habe man die Bürgerbeteiligung darüber hinaus technisch auf die Höhe des 21. Jahrhunderts gebracht. Auf dem Portal sind seit seinem Start vor einem Jahr bereits eine Vielzahl an Beteiligungsverfahren realisiert worden.

Kretschmann erläuterte, dass es zum Teil auch Frustrationen bei denen gegeben hätte, die sich in Beteiligungsprozessen mit ihrer Position nicht hätten durchsetzen können, so etwa beim Nationalpark. Daraus habe die Landesregierung gelernt: „Die Spielregeln von Anfang an noch klarer zu machen und zu sagen, was geht und was nicht geht – das ist die wichtigste Lektion aus den Bürgerbeteiligungsverfahren der vergangenen drei Jahre.“

Aber auch die Bürgerschaft habe eine Bringschuld. „Diese Bringschuld besteht darin, zivilisiert für die eigene Sache zu argumentieren. Bisweilen schießen die Emotionen ja durch die Decke und entfernen sich in Form und Inhalt von der Sache“, so Kretschmann. Wenn sich darüber hinaus in wichtigen Konflikten gar Fanatismus einniste, gefährde das den Prozess der Bürgerbeteiligung.

300 mal mehr Mitgestalten

Ein Meilenstein auf dem Weg zur Bürgergesellschaft ist für Kretschmann der neue Planungsleitfaden der Landesregierung. Der sieht vor, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Planung und Bau von Großprojekten des Landes von Beginn an umfassend beteiligt werden müssen. „Er ist Ausdruck einer Politik der Offenheit und Transparenz, einer Politik auf Augenhöhe mit der Bürgerschaft, und, nicht zuletzt, ein Standortvorteil für Baden-Württemberg.“

Der Leitfaden wird bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode geschätzte 300 Projekte vor Ort betreffen, etwa im Hochwasserbereich. „Auf eine Formel gebracht heißt das: Wir ermöglichen 300 mal mehr Mitgestalten vor Ort in Baden-Württemberg“, so Kretschmann.

Aber auch bei der direkten Demokratie kommt das Land voran: Kretschmann kündigte ein Gesetzespaket an, das die Hürden für die direkte Demokratie im Land und in den Kommunen senkt und Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger erleichtert.

Auf dem richtigen Weg

Verglichen mit der über hundertjährigen direktdemokratischen Tradition der Schweiz stehe Baden-Württemberg bei Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie erst am Anfang, so der Ministerpräsident. Aber das Land sei auf dem richtigen Weg. Die Bürgerinnen und Bürger im Südwesten wollten – wie Umfragen zeigten – mehr direkte Demokratie und Mitbestimmung. Darüber hinaus seien die Menschen im Südwesten ehrenamtlich so engagiert wie in keinem anderen Bundesland.

Kretschmann ist deshalb überzeugt, dass die Erneuerung der Demokratie im Land gelingen wird. „Die Kraft für den von uns angestoßenen Prozess ist in unserem Land im Übermaß vorhanden. Ja, dieser Prozess ist manchmal auch anstrengend. Und er kostet zuweilen auch Nerven. Aber insgesamt führt er unserer Demokratie neue Energie aus der Graswurzel zu und macht sie frischer und lebendiger.“

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Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 26. März 2014 im Landtag von Baden-Württemberg (Plenumsversion)

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