Doppelte Staatsbürgerschaft

Wir brauchen eine ernst gemeinte Willkommenskultur

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident (Bild: © dpa)

Baden-Württemberg wird gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eine Initiative zur doppelten Staatsbürgerschaft in den Bundesrat einbringen. Im Interview erläutert Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Gründe – und verbittet sich eine Einmischung in die Rechte der Bundesländer.

Warum reicht Ihnen das nicht, was im schwarz-roten Koalitionsvertrag zum Thema Doppelpass vereinbart ist?

Winfried Kretschmann: Die Bundesregierung knüpft die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft an die Bedingung, dass die betreffende Person bei uns in Deutschland aufgewachsen sein muss. Dies muss von der Person nachgewiesen und vom Staat in jedem einzelnen Fall geprüft werden. Im Ergebnis bedeutet dieses Verfahren einen großen bürokratischen Aufwand für eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Menschen, die diese Bedingung am Ende nicht erfüllen wird. Ein bürokratischer Aufwand, der wohlgemerkt nicht vom Bund, sondern von uns, von den Ländern, erbracht werden muss.

Was spielt bei Ihren Erwägungen noch eine Rolle?

Kretschmann: Unsere Wirtschaft leidet unter einem grassierenden Fachkräftemangel. Und wir sollten um jede Person kämpfen, die bereit ist, zu uns zu kommen oder in Deutschland zu bleiben. Sprich: Wir brauchen eine ernst gemeinte Willkommenskultur und sollten uns freuen über jeden, der Deutscher werden möchte - auch wenn er den Reisepass seines tatsächlichen oder familiären Herkunftslandes aus emotionaler Verbundenheit beibehalten möchte.

Die CDU droht wegen der Bundesratsinitiative mit Blockade und Koalitionsbruch. Ist die Initiative also nicht eher kontraproduktiv, wenn es darum geht, bei dem Thema im Bund überhaupt weiterzukommen?

Kretschmann: Was manche aus der CDU in dieser Angelegenheit von sich geben, das geht wirklich nicht. Die große Koalition kann den Föderalismus nicht einfach in den Urlaub schicken. Hier den Ländern mit Verweis auf den Koalitionsvertrag gewissermaßen das Recht abzusprechen, eigene Initiativen zu starten, steht in krassem Widerspruch zu unserer verfassungsmäßigen Staatsordnung. Wir sind ein föderaler Staat mit eigenständigen Ländern. Länder, die es übrigens schon vor dem Bund gab. Und wir lassen uns von keiner Bundesregierung in unseren Kompetenzen einschränken.

Was entgegnen Sie denen, die sagen, dass die Bundesratsinitiative ohnehin keine Chance auf Umsetzung habe und das Ganze deshalb eine reine Schauveranstaltung sei?

Kretschmann: Das werden wir nochmal sehen. Immerhin hat der Bundesrat im letzten Jahr eine ähnliche Initiative mehrheitlich beschlossen. Die drei Länder, die nun diese Initiative tragen, bringen diese aus Überzeugung ein, dass dies das bessere Gesetz wäre.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte, die Bundesratsinitiative sei auch ein Zugeständnis an den grünen Koalitionspartner. Wer war aus Ihrer Sicht die treibende Kraft bei dem Thema - SPD oder Grüne?

Kretschmann: Wir regieren in drei Ländern gemeinsam und vertreten auch gemeinsam, was wir für richtig halten. Ministerpräsident Torsten Albig aus Schleswig-Holstein macht nicht den Eindruck, dass er sich in der Angelegenheit von seinem grünen Koalitionspartner treiben lässt, und auch bei uns in Baden-Württemberg wird die Initiative gemeinsam von den Grünen und vom Koalitionspartner SPD vertreten.

Quelle:

dpa/lsw
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