Interview

„Unsere Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt“

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident (Bild: © dpa)

Im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten spricht Ministerpräsident Winfried Kretschmann über die Einigung im Länderfinanzausgleich und über den Haushalt.

Stuttgarter Nachrichten: Herr Ministerpräsident, nach jahrelangem Streit gibt es eine Lösung beim Thema Länderfinanzausgleich. Wie erleichtert sind Sie?

Winfried Kretschmann: Sehr. Ich habe zum Schluss die Hoffnung schon fast aufgegeben gehabt, dass wir eine Einigung noch schaffen. Denn die Fronten waren total verhärtet.

Am Dienstag dieser Woche hatten Sie sich sehr skeptisch geäußert. Was ist seither passiert?

Kretschmann: Man musste in den vergangenen Tagen nochmals auf einige Kollegen stark einwirken, dass sie einem Kompromiss zustimmen. Auch etwas Druck aufbauen. Aber jetzt ist der Knoten doch noch geplatzt.

Was hat letztendlich zur Einigung  geführt?

Kretschmann: Jeder hat eingesehen, dass man nur mit den eigenen Interessen nicht durchkommt. Zudem ist allen klar geworden, dass wir das Thema endlich lösen müssen, zumal wir uns am Rand des Scheiterns bewegt haben und keiner mit dem Beharren auf der eigenen Position weiterkommt.

Dass Politiker ihre Position aufgeben, kommt nicht so oft vor.

Kretschmann: Es war die Einsicht in das Notwendige. Alle wussten, es muss jetzt ein Kompromiss her.

Wer hat den Knoten durchschlagen?

Kretschmann: Es war das Glück, dass wir mit Olaf Scholz, dem Bürgermeister von Hamburg, jemand gehabt haben, der  das Geschick hatte, die Sache so filigran auszutarieren, dass es hingehauen hat.

Und wo waren Sie?

Kretschmann: Ich habe seit Jahren  darauf hingewiesen, dass die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, so wie sie Bayern und Hessen schon eingereicht haben, für mich nur das allerletzte Mittel ist. Denn niemand sollte vergessen, dass die Länder zukünftig bei anderen Fragen auch wieder zusammenarbeiten müssen. In der Rolle als  Geberland und zugleich als nicht klagendes Land haben wir  eine wichtige Rolle gespielt. Man könnte es auch so sagen: Wir haben eine sehr wichtige Brückenfunktion wahrgenommen. Unsere Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt.

Sie fühlen sich also bestätigt, miteinander zu reden als gegeneinander zu klagen.

Kretschmann: Ja, denn die Klage hätte kein besseres Ergebnis gebracht. Das Bundesverfassungsgericht hätte vielleicht einige Vorgaben gemacht. Aber wir hätten trotzdem verhandeln müssen. Das wäre keine Bohne leichter geworden. Jetzt, da die Frist für das Auslaufen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen noch fünf Jahre ist, war es  leichter, eine Lösung zu finden, als kurz vor Toresschluss, wenn jeder mit dem Taschenrechner dasitzt und nur nach seinen Interessen schaut. Das hätte leicht Formen eines Kuhhandels angenommen.

Die Gefahr ist wirklich gebannt? Immerhin sind viele Details noch ungeklärt.

Kretschmann: Der klassische Länderfinanzausgleich entfällt ab 2020, künftig  geht es im Wesentlichen um die Verteilung der Umsatzsteuer. Das hat zur Folge, dass es mehr Geber- und weniger Nehmerländer gibt.

Was ändert sich  für Baden-Württemberg?

Kretschmann: Wenn wir den Kompromiss so durchverhandelt bekommen mit der Bundesregierung, wie wir uns das vorstellen, wird Baden-Württemberg jährlich mit knapp einer Milliarde Euro entlastet. Genau diese Größenordnung wollten Finanzminister Nils Schmid und ich immer erreichen. Zugleich  ist jetzt klar, dass bei den Ostländern der scharfe Schnitt vermieden wird, dass also 2019 nicht der Soli und der Länderfinanzausgleich auslaufen. Und Notlagenländern wie Saarland und Bremen wird auch geholfen. Ich halte  das alles für einen guten Weg.

Wie wirkt sich das alles im Landeshaushalt in Baden-Württemberg aus, und welche Auswirkungen hat es für die Kommunen?

Kretschmann:  Zuerst einmal bedeutet es,  dass wir in der mittelfristigen Finanzplanung ab dem Jahr 2020 die Deckungslücke erheblich verringern  können. Ohne die jährliche Einsparung von einer Milliarde Euro hätten wir den Haushalt kaum schaffen und die Schuldenbremse wohl nicht halten können. Die Kommunen profitieren von dem erhöhten Umsatzsteueranteil, der auf das Land entfällt. Daran sind sie beteiligt.

Am Spardruck  ändert  sich  aber nichts. In den nächsten Jahren gibt es im Landeshaushalt  Lücken von über zwei Milliarden Euro.

Kretschmann: Richtig, der Spardruck bleibt sehr groß.

Aber Sparen ist unpopulär.

Kretschmann: Die in der Finanzplanung kalkulierten Milliardenlücken kommen in erster Linie durch die hohen Kosten, die die Flüchtlingsströme auslösen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass der Zuzug an Flüchtlingen sofort abnehmen wird. Aber ich setze schon darauf, dass wir nach und nach zu Lösungen kommen. Dazu gehört, dass die Bundeskanzlerin einen europäischen Verteilmechanismus erreicht und die Situation in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern stabilisiert wird, so dass nicht mehr so viel Menschen so schnell zu uns ins Land kommen. Klar ist aber auch, dass wir es in den nächsten Jahren mit hohen Integrationskosten zu tun haben werden. In diesem Zusammenhang setze ich auf eine stärkere Beteiligung des Bundes. Er hilft den Ländern bislang nur bei den Unterbringungskosten und mit einem kleinen Zuschuss beim Wohnungsbau. Da werden wir in den nächsten Monaten mit dem Bund intensiv verhandeln müssen.

Die Flüchtlingskosten sind das eine Thema, muss die Regierung nicht auch mehr sparen?

Kretschmann: Natürlich werden die Ministerien in den nächsten Jahren noch mehr sparen müssen als bisher.  Wir haben ja in den Orientierungsplänen entsprechende Sparziele verankert. Das ist auch zu schaffen, vorausgesetzt die wirtschaftliche Lage bleibt so gut. Sonst müssen wir wirklich hart in einigen Bereichen eingreifen. Dass das nicht leicht wird, haben wir ja am Beispiel der Kürzungen bei den Beamten gesehen

Zurück zum Länderfinanzausgleich: Die Einigung steht und fällt damit, ob Bundesfinanzminister Schäuble  Geld lockermacht.

Kretschmann: Da bin ich sehr zuversichtlich, zumal wir Länder uns mit dem Bund bereits auf eine Größenordnung geeinigt hatten und die eine Milliarde Euro, die die Länder mehr vom Bund erhoffen, nicht weit darüber liegt. Wolfgang Schäuble ist ein erfahrener Politiker, zudem ein ausgewiesener Finanzexperte, obendrein ein Landeskind. Wenn einer weiß, welche Lasten mit dem Länderfinanzausgleich verbunden sind, dann er. Er weiß nur zu gut, dass die Strukturen der Bundesländer bislang weit auseinander laufen und dass das Ziel, einigermaßen vergleichbare Lebensverhältnisse zu schaffen, nur über die Haushalte erreicht werden kann.

Das Geld als Heilmittel.

Kretschmann: Das Modell, auf das sich die Länder  geeinigt haben, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Es muss Schluss damit sein, dass drei Bundesländer jährlich acht Milliarden Euro für die anderen Länder aufbringen und am Ende schlechter dastehen als vorher. Nur wenn wir und Bayern  die Lokomotive bleiben, kann Deutschland seine wirtschaftlich  führende Position halten.  Es kann  nicht Sinn und Zweck sein, dass man die Starken schwächt, wie das zuletzt der Fall war. Insofern ist der Verhandlungserfolg gut und wichtig fürs Land.

Die Fragen stellte Frank Krause.

Quelle:

Stuttgarter Nachrichten
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