Interview

„Manchmal bräuchte man wenigstens eine Rennschnecke“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei einem Interview (Foto: dpa)

Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) über Erfolge und Niederlagen als Regierungschef  – und darüber, warum er manchmal von „Rennschnecken“ träumt.

dpa: Was steht für in den letzten sechs Monaten bis zur Landtagswahl noch an – außer das große Thema Flüchtlinge?

Winfried Kretschmann: Beim Thema Bund-Länder-Finanzbeziehungen erwarte ich in diesem Jahr noch erhebliche Bewegung. Wir haben ein Konzept vorgestellt, in dem wir Solidarität mit den finanzschwachen Ländern üben, aber trotzdem die Interessen des Landes Baden-Württemberg vertreten. Da muss in diesem Jahr noch ein Knopf dran gemacht werden. Zudem müssen wir klären, ob es noch einen Nachtragshaushalt gibt - wegen der Digitalisierung und wegen der steigenden Flüchtlingszahlen.

Wenn Sie auf die viereinhalb Regierungsjahre zurückblicken: Worauf sind Sie als Ministerpräsident besonders stolz?

Kretschmann: Eindeutig auf den nationalen Konsens bei der Energiewende. Ich war frisch Ministerpräsident, als wir die Energiewende in der Ministerpräsidentenkonferenz mit 16 zu 0 Stimmen mitbeschlossen haben. Für den Ausstieg aus der Atomkraft habe ich mein ganzes politisches Leben lang gekämpft. Ich dachte dann: Winfried, das hat sich schon gelohnt. Das war ein bewegender Tag für mich.

Was war Ihre schwerste Niederlage als Regierungschef?

Kretschmann: Stuttgart 21. Nach dem Volksentscheid war klar, dass ich ein Projekt umsetzen muss, das ich viele Jahre lang bekämpft habe. Das war eine harte Erfahrung, aber die gehört einfach zur direkten Demokratie dazu. Und darin war ich absolut klar - schon an dem Tag des Volksentscheids. Ich wusste, jetzt muss ich umswitchen.

Was hat Ihnen als Ministerpräsident besonders große Freude bereitet?

Kretschmann: Die Schaffung des Nationalparks Schwarzwald. Ich bin gelernter Biologe. Der Naturschutz war das Hauptmotiv dafür, dass ich die Grünen mitgegründet habe. Ein kleines Stück Wildnis zu haben, das man ganz sich selbst überlässt - das ist für mich persönlich richtig schön und ein echter Gewinn für unser Land. Da habe ich mich so richtig, fast kindlich, gefreut.

Was haben Sie in der Zeit als Regierungschef gelernt?

Kretschmann: Ich habe gelernt, dass der Spruch des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmid leider stimmt:  „Das normale Tempo der Demokratie ist das Schneckentempo.“ Wenn ich nur an den Ausbau der Windkraft denke... Man ist als Regierung durch viele Dinge eingehegt. Jetzt in der Flüchtlingskrise geht es in der Politik zu langsam. Da bräuchte man wenigstens eine Rennschnecke.

Quelle:

dpa
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